Nachdenken Gedichte
Matthias
Claudius (Gedichte)
Der Mensch
Empfangen und genähret
vom Weibe wunderbar,
kömmt er und sieht und höret
und nimmt des Trugs nicht wahr;
gelüstet und begehret,
und bringt sein Tränlein dar;
verachtet und verehret,
hat Freude und Gefahr;
glaubt, zweifelt, wähnt und lehret,
hält nichts und alles wahr;
erbauet und zerstöret;
und quält sich immerdar;
schläft, wachet, wächst und zehret;
trägt braun und graues Haar;
und alles dieses währet,
wenn' s hoch kommt, achtzig Jahr.
Dann legt er sich zu seinen Vätern nieder,
und er kömmt nimmer wieder.
Levrai
(Gedichte zum Nachdenken)
Gedichtsuche
Gestern fand ich ein Gedicht
dass mir aus der Seele spricht
Wörter rieben Schicht an Schicht
Erinnre mich doch der Worte nicht
die Seite - fort
der Cache ist leer
ein Wörtertod im Wörtermeer
Levrai
(Gedichte zum Nachdenken)
Auf ein Wort
Auf ein Wort stieß ich an diesem Regentag
störte mich worüber ich kaum reden mag
stieß unruhig, fiel auf gut Gelagertes, vergangen
statt nur den Wortschatz zu versilbern
kroch und schlich sich in Verhangenes
Ich greif in dieses Wort hinein und fühle
taste jede Senkung, versteckte Finger in der Mühle
wühle dann und ziehe mir ein frühes Dämmern
in den Tag, dunkelt jede Silbe nach und nach
das Wort entwindet, flieht zu weißen Lämmern
Frank
Wedekind
(Gedichte zum Nachdenken)
Erdgeist
Greife wacker nach der Sünde;
Aus der Sünde wächst Genuss,
Ach du gleichest einem Kinde,
Dem man alles zeigen muss.
Meide nicht die ird´schen Schätze:
Wo sie liegen, nimm sie mit.
Hat die Welt doch nur Gesetze,
Dass man sie mit Füßen tritt.
Glücklich wer geschickt und heiter
über frische Gräber hopst.
Tanzend auf der Galgenleiter
Hat sich keiner noch gemopst.
Frühlingsgedichte -
Sommergedichte -
Herbstgedichte -
Weihnachtsgedichte
Levrai
(Gedichte zum Nachdenken)
Zeiten
Allemal sind sie geliehen
unsere Zeiten
die
unsichtbar über den Himmel
gekrümmt durch das Rote des Horizonts
sich
unsrer Sinne bemächtigen
in unseren Seelen nisten
Zieh aus die zerfetzte Haut
in den Baum gehängt zum Trocken
dass
letztes Wasser nur die Sonne nährt
Jeder Abschied
von der Zeit
verliert den weiten Raum
in Armen halten, was sonst rasch
zerfällt
halt du fest, erstick dir das Geliebte
reicht dir den Kaffee mit
bläulichem Gesicht
erinnerst dich
bereite aus dem Mahl des Tages
den Abschied
deiner
Liebe
Geliehenes gab ich zurück
zerkratzt der Einband
geknickt die gelben Seiten
aus dem Licht erhellter
Zeiten
warf mir der Schatten schwach
mein Bild zurück
Levrai (Gedichte
zum Nachdenken)
Wohnzimmer
In Wohnzimmern die Kriegsspur
zählt Zeitungsseiten
dabei haben
manche dickere Knie.
Sitzt im Stuhl und misst Löffel
aus Verantwortung
soll auch nur
einer nicht zu lang sein.
Verlässt das Haus und schließt sich zweimal ab
einmal die
Woche zweimal die Woche
fünfmal
die Woche
Betet rot betet blau
an der Ecke bei rotem Licht
letzte
Sämereien ausgestreut.
Unfruchtbare Bettelstunden
hieß das Zittergras.
Levrai (Gedichte zum Nachdenken)
Grenzland
Die schmale Straße zur Grenze
Bemützt, das neue Land
Fragt
wohin und wie lange
Was doch vom neuen Land abhängt
Der Ausweis mit
Zahlen und Buchstaben
Frauen an der Straße heben den Rock zum Gruß
Gefährlich nahe
Am Straßenrand winken Sie freundlich
Abends verkehren Autos
Gefährlich nahe
Am Straßenrand halten
Sie freundlich
Was doch auch davon abhängt
Wie man aufgenommen wird
Neben den Schillingen der Ausweis
Fragt wohin und wie lange
Bemützt nun das alte Land
Im Grenzland
Gefährlich nahe am Straßenrand
Frühlingsgedichte -
Sommergedichte -
Herbstgedichte -
Weihnachtsgedichte