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Joachim Ringelnatz Gedichte

Joachim Ringelnatz: * 7. August 1883 in Wurzen; † 17. November 1934

Joachim Ringelnatz (Weihnachtsgedichte)
Weihnachten


Liebeläutend zieht durch Kerzenhelle,
mild, wie Wälderduft, die Weihnachtszeit.
Und ein schlichtes Glück streut auf die Schwelle
schöne Blumen der Vergangenheit.

Hand schmiegt sich an Hand im engen Kreise,
und das alte Lied von Gott und Christ
bebt durch Seelen und verkündet leise,
dass die kleinste Welt die größte ist.

Joachim Ringelnatz (lustige Gedichte)
Bumerang

War einmal ein Bumerang;
War ein weniges zu lang.
Bumerang flog ein Stück,
Aber kam nicht mehr zurück.
Publikum - noch stundenlang -
Wartete auf Bumerang.

Joachim Ringelnatz (lustige Gedichte)
Logik


Die Nacht war kalt und sternenklar,
Da trieb im Meer bei Norderney
Ein Suahelischnurrbarthaar. -
Die nächste Schiffsuhr wies auf drei.

Mir scheint da mancherlei nicht klar,
Man fragt doch, wenn man Logik hat,
Was sucht ein Suahelihaar
Denn nachts um drei am Kattegatt?

Joachim Ringelnatz     (Gedichte über das Leben)
Es lohnt sich doch


Es lohnt sich doch, ein wenig lieb zu sein
Und alles auf das Einfachste zu schrauben,
Und es ist gar nicht Großmut zu verzeihn,
Dass andere ganz anders als wir glauben.

Und stimmte es, dass Leidenschaft Natur
Bedeutete im guten und im bösen,
Ist doch ein Knoten in dem Schuhband nur
Mit Ruhe und mit Liebe aufzulösen.

Joachim Ringelnatz
Ehrgeiz


Ich habe meinen Soldaten aus Blei
Als Kind Verdienstkreuzchen eingeritzt.
Mir selber ging alle Ehre vorbei,
Bis auf zwei Orden, die jeder besitzt.

Und ich pfeife durchaus nicht auf Ehre.
Im Gegenteil. Mein Ideal wäre,
Dass man nach meinem Tod (grano salis)
Ein Gässchen nach mir benennt, ein ganz schmales
Und krummes Gässchen, mit niedrigen Türchen,
Mit steilen Treppchen und feilen Hürchen,
Mit Schatten und schiefen Fensterluken.

Dort würde ich spuken.

Joachim Ringelnatz (lustige Gedichte)
Die Krähe


Die Krähe lacht. Die Krähe weiß,
Was hinter Vogelscheuchen steckt,
Und dass sie nicht wie Huhn mit Reis
Und Curry schmeckt.

Die Krähe schnupft. Die Krähe bleibt
Nicht gern in einer Nähe.
Dank ihrer Magensäure schreibt
Sie Runen. Jede Krähe.

Sie torkelt scheue Ironie,
Flieht souverän beschaulich.
Und wenn sie mich sieht, zwinkert sie
Mir zu, doch nie vertraulich.

Joachim Ringelnatz (Herbstgedichte)
Herbst im Fluss


Der Strom trug das ins Wasser gestreute
Laub der Bäume fort.
Ich dachte an alte Leute
Die auswandern ohne ein Klagewort.

Die Blätter treiben und trudeln,
Gewendet von Winden und Strudeln
Gezügig, und sinken dann still.
Wie jeder, der Großes erlebte,
Als er an Größerem bebte,
Schließlich tief ausruhen will.

Joachim Ringelnatz (Gedichte über das Leben)
Die Überholten


Und Menschen triffst du, und dich stört ihr Reden,
Weil es nichts Neues dir enthüllt.
Du kennst all ihre Zellen, hast längst jeden
Gedanken überholt, der sie erfüllt.

Du willst durchaus nicht, dass sie näher kommen;
Du fürchtest, dass du überlegen siegst.
Doch schweigend dann besinnst du dich beklommen,
Wie du den Anfang so wie sie genommen,
Und dass du dankbar sein musst, weil du stiegst.

Doch wenn du dich bescheiden an sie wendest
Und einfach sprichst, erfährst du, dass du störst.
Und einsam klingt der Satz, den du vollendest.
Weil du doch nimmer ihnen angehörst.

Joachim Ringelnatz (lustige Gedichte)
Das Herz sitzt über dem Popo


Das Herz sitzt über dem Popo. -
Das Hirn überragt beides.
Leider! Denn daraus entspringen so
Viele Quellen des Leidens.

Doch ginge uns plötzlich das Hirn ins Gesäß
Und die Afterpracht in die Köpfe,
Wir wären noch minder als hohles Gefäß,
Nur gestürzte, unfertige Töpfe.

Herz, Arsch und Hirn, - Ich ziehe retour
Meine kleinliche Überlegung. -
Denn dieses ganze Gedicht kommt nur
Aus einer enttäuschten Erregung.

Joachim Ringelnatz (Sommergedichte)
Sommerfrische


Zupf dir ein Wölkchen aus dem Wolkenweiß,
Das durch den sonnigen Himmel schreitet.
Und schmücke den Hut, der dich begleitet,
Mit einem grünen Reis.

Verstecke dich faul in der Fülle der Gräser.
Weil's wohltut, weil's frommt.
Und bist du ein Mundharmonikabläser
Und hast eine bei dir, dann spiel, was dir kommt.

Und lass deine Melodien lenken
Von dem freigegebenen Wolkengezupf.
Vergiss dich. Es soll dein Denken
Nicht weiter reichen als ein Grashüpferhupf.

Joachim Ringelnatz (Kurze lustige Gedichte)
Lustiges Gedicht


Überall ist Wunderland.
Überall ist Leben.
Bei meiner Tante im Strumpfenband,
Wie irgendwo daneben.

Überall ist Dunkelheit.
Kinder werden Väter.
Fünf Minuten später
Stirbt etwas für einige Zeit,
Überall ist Ewigkeit.

Wenn Du einen Schneck behauchst,
Schrumpft er ins Gehäuse.
Wenn Du ihn in Kognak tauchst,
Sieht er weiße Mäuse.

Joachim Ringelnatz (Gedichte über das Leben)
Weißt du?


Wenn ein Neunauge mit einem Tausendfuß
Kinder zeugt, wie mögen die gehen?
Wie mögen die sehen?
Ich weiß es nicht. Weißt du's?

Weißt du wohl, dass eines Flugzeugs Schatten,
Wenn er über Häuser, Bäume, Matten,
Menschen, Tiere, Wasser geht,
Nichts und niemand widersteht?
Jeder weiß, warum in schönen Zweigen
Schöne Spinne schöne Netze webt.
Aber weißt du, was das Schweigen
Eines andern Menschen
Sinnt und nacherlebt und vorerlebt?

Joachim Ringelnatz (Geburtstagsgedichte)
Geburtstagsgedicht


Ach wie schön, dass Du geboren bist!
Gratuliere uns, dass wir Dich haben,
Dass wir Deines Herzens gute Gaben
Oft genießen dürfen ohne List.

Deine Mängel, Deine Fehler sind
Gegen das gewogen harmlos klein.
Heute nach vierzig Jahren wirst Du sein:
Immer noch ein Geburtstagskind.

Möchtest Du: nie lange traurig oder krank
Sein. Und: wenig Hässliches erfahren. -
Deinen Eltern sagen wir unseren fröhlichen Dank
Dafür, das sie Dich gebaren.

Gott bewinke dir
Alle Deine Schritte;
Ja, das wünschen wir,
Deine Freunde und darunter (bitte)
Dein ...

Joachim Ringelnatz (lustige Gedichte)
Psst


Träume deine Träume in Ruh.
Wenn du niemandem mehr traust,
Schließe die Türen zu,
Auch deine Fenster,
Damit du nichts mehr schaust.
Sei still in deiner Stille,
Wie wenn dich niemand sieht.
Auch was dann geschieht,
Ist nicht dein Wille.
Und im dunkelsten Schatten
Lies das Buch ohne Wort.
Was wir haben, was wir hatten,
Was wir ...
Eines Morgens ist alles fort.

Joachim Ringelnatz (Gedichte über den Tod)
Nichts geschieht


Wenn wir sterben müssen,
Unsere Seele sich den Behörden entzieht,
Werden sich Liebende küssen;
Weil das Lebende trumpft.
Aber wenn nichts geschieht,
Bleibt das Leben nicht einmal stehn, sondern schrumpft.


Was heute mir ins Ohr klingt,
Ist nur, was Klage vorbringt.
Und was ich mit Augen seh
An schweigender Not, das tut weh.
Aller Frohsinn in uns ist verreist.

Und nichts geschieht. – Und der Zeiger kreist.

Joachim Ringelnatz (Kurze Wintergedichte)
Stille Winterstraße


Es heben sich vernebelt braun
Die Berge aus dem klaren Weiß,
Und aus dem Weiß ragt braun ein Zaun,
Steht eine Stange wie ein Steiß.

Ein Rabe fliegt, so schwarz und scharf,
Wie ihn kein Maler malen darf,
Wenn er's nicht etwas kann.
Ich stapfe einsam durch den Schnee.
Vielleicht steht links im Busch ein Reh
Und denkt: Dort geht ein Mann.

Joachim Ringelnatz (Seitensprung und Ehebruch - Gedichte)
Ferngruß von Bett zu Bett


Wie ich bei dir gelegen
Habe im Bett, weißt du es noch?
Weißt du noch, wie verwegen
Die Lust uns stand? Und wie es roch?

Und all die seidenen Kissen
Gehörten deinem Mann.
Doch uns schlug kein Gewissen.
Gott weiß, wie redlich untreu.

Man sein kann.
Weißt du noch, wie wir's trieben,
Was nie geschildert werden darf?
Heiß, frei, besoffen, fromm und scharf.

Weißt du, dass wir uns liebten?
Und noch lieben?
Man liebt nicht oft in solcher Weise.

Wie fühlvoll hat dein spitzer Hund bewacht.
Ja unser Glück war ganz und rasch und leise.
Nun bist du fern.
Gute Nacht.

Joachim Ringelnatz (Seitensprung Gedichte)
Volkslied


Wenn ich zwei Vöglein wär,
Und auch vier Flügel hätt,
Flög die eine Hälfte zu dir.
Und die andere, die ging auch zu Bett,
Aber hier zu Haus bei mir.

Wenn ich einen Flügel hätt
Und gar kein Vöglein wär,
Verkaufte ich ihn dir
Und kaufte mir dafür ein Klavier.

Wenn ich kein Flügel wär
(Linker Flügel beim Militär)
Und auch keinen Vogel hätt,
Flög ich zu dir.
Da' s aber nicht kann sein,
Bleib ich im eignen Bett
Allein zu zwein.

Joachim Ringelnatzm (lustige Liebesgedichte)
Ich habe dich so lieb


Ich habe dich so lieb!
Ich würde dir ohne Bedenken
Eine Kachel aus meinem Ofen
Schenken

Ich habe dir nichts getan
Nun ist mir traurig zu Mut.
An den Hängen der Eisenbahn
Leuchtet der Ginster so gut.

Vorbei - verjährt -
Doch nimmer vergessen.
Ich reise.
Alles, was lange währt,
Ist leise.

Die Zeit entstellt
Alle Lebewesen.
Ein Hund bellt.
Er kann nicht lesen.
Er kann nicht schreiben.
Wir können nicht bleiben.

Ich lache.
Die Löcher sind die Hauptsache
An einem Sieb.

Ich habe dich so lieb.

Joachim Ringelnatz (Kurze Gedichte über Liebe)
An M.


Der du meine Wege mit mir gehst,
Jede Laune meiner Wimper spürst,
Meine Schlechtigkeiten duldest und verstehst -
Weißt du wohl, wie heiß du oft mich rührst?
Wenn ich tot bin, darfst du gar nicht trauern.
Meine Liebe wird mich überdauern
Und in fremden Kleidern dir begegnen
Und dich segnen.
Lebe, lache gut!
Mache deine Sache gut!

Joachim Ringelnatz (Geburtstagsgedichte)
Gedicht zum 40. Geburtstag


Ach wie schön, dass du geboren bist!
Gratuliere uns, dass wir dich haben,
Dass wir deines Herzens gute Gaben
Oft genießen dürfen ohne List.

Deine Mängel, deine Fehler sind
Gegen das gewoben harmlos klein.
Heute nach vierzig Jahren wirst du sein:
Immer noch ein Geburtstagkind.

Möchtest Du: nie lange traurig oder krank
Sein. Und: wenig Hässliches erfahren. -
Deinen Eltern sagen wir unseren fröhlichen Dank
Dafür, dass sie Dich gebaren.

Gott bewirke Dir
Alle Deine Schritte;
Ja, das wünschen wir,
Deine Freunde und darunter (bitte)

Dein ...

Joachim Ringelnatz (lustige Gedichte)
Liedchen


Die Zeit vergeht,
Das Gras verwelkt,
Die Milch entsteht,
Die Kuhmagd melkt.

Die Milch verdirbt.
Die Wahrheit schweigt.
Die Kuhmagd stirbt.
Ein Geiger geigt.

Joachim Ringelnatz (Umzug Gedichte über das Umziehen)
Umzug nach Berlin


Nach Berlin, nach Berlin,
Nach Berlin umzuziehn,
Aus der dümmsten Stadt der Welt –
Wie das lockt! – Ich, verdumpft,
Ich, verstockt und verstumpft,
Habe endlich mich auf den Kopf gestellt.

Ach wie schön ist's im Frein
Und im Hellen zu sein!
Und wär's nur ein luftiges Zelt.
Aber gar nach Berlin,
Nach Berlin umzuziehn,
Aus der dümmsten Stadt der Welt!

Mir ist wohl, mir ist weh –
So als ging ich in See –
Denn ich lasse auch Freunde zurück.
Doch ihr Freunde folgt nach
Aus kleinpopliger Schmach
In den Großkampf um sauberes Glück.

Joachim Ringelnatz (unglückliche Liebe - Gedichte)
Liebesbrief


So kann es nun nicht weitergehn!
Das, was besteht, muss bleiben.
Wenn wir uns wieder wiedersehn,
Muss irgendetwas geschehn.
Was wir dann auf die Spitze treiben.
Was - was auf einer Spitze tut?
Gewiss nicht Plattitüden.
Denn was auf einer Spitze ruht,
Wird nicht so leicht ermüden.
Auf einer Bank im Grunewald
Zu zweit im Regen sitzen,
Ist blöd. Mut, Mädchen! Schreibe bald!
Dein Fritz! (Remember Spitzen).

Joachim Ringelnatz (unglückliche Liebe - Gedichte)
Es ist besser so


Es ist besser so.
Reich mir die Hand. Wir wollen froh
Und lachend voneinander gehen.
Wir würden uns vielleicht nach Jahren
Nicht mehr so gut wie heut verstehn.
So lass uns bis auf Wiedersehn
Ein reines, treues Bild bewahren.
Du wirst in meiner Seele lesen,
Wie mich ergreift dies harte Wort.
Doch unsre Freundschaft dauert fort.
Und ist kein leere Traum gewesen,
Aus dem wir einst getäuscht erwachen.
Nun weine nicht; wir wollen froh
Noch einmal miteinander lachen. -
Es ist besser so.

Joachim Ringelnatz (Seitensprung und Ehebruch - Gedichte)
Ein Nagel ...

Ein Nagel saß in einem Stück Holz.
Der war auf seine Gattin sehr stolz.
Die trug eine goldene Haube
Und war eine Messingschraube.
Sie war etwas locker und etwas verschraubt,
Sowohl in der Liebe, als auch überhaupt.

Sie liebte ein Häkchen und traf sich mit ihm
In einem Astloch. Sie wurden intim.
Kurz, eines Tages entfernten sie sich
Und ließen den armen Nagel im Stich.
Der arme Nagel bog sich vor Schmerz.
Noch niemals hatte sein eisernes Herz
So bittere Leiden gekostet.
Bald war er beinah verrostet.

Da aber kehrte sein früheres Glück,
Die alte Schraube wieder zurück.
Sie glänzte übers ganze Gesicht.
Ja, alte Liebe, die rostet nicht!

Joachim Ringelnatz (Weihnachtsgedichte)
Vorfreude auf Weihnachten


Ein Kind - von einem Schiefertafel-Schwämmchen
Umhüpft - rennt froh durch mein Gemüt.
Bald ist es Weihnacht! - Wenn der Christbaum blüht,
Dann blüht er Flämmchen.

Und Flämmchen heizen. Und die Wärme stimmt
Uns mild. - Es werden Lieder, Düfte fächeln. –
Wer nicht mehr Flämmchen hat, wem nur noch Fünkchen glimmt,
Wird dann doch gütig lächeln.

Wenn wir im Traume eines ewigen Traumes
Alle unfeindlich sind - einmal im Jahr! -
Uns alle Kinder fühlen eines Baumes.
Wie es sein soll, wie’s allen einmal war.

Joachim Ringelnatz
Ein männlicher Briefmark


Ein männlicher Briefmark erlebte
Was Schönes, bevor er klebte.
Er war von einer Prinzessin beleckt.
Da war die Liebe in ihm erweckt.

Er wollte sie wieder küssen,
Da hat er verreisen müssen.
So liebte er sie vergebens.
Das ist die Tragik des Lebens!

Joachim Ringelnatz (Zuhause-Gedichte)
Drei Tage Tirol.


Ich bin nach Tirol gereist
Und hab das Zuhause vergessen.
Ich habe viel Freiheit gefressen
Und viel Gesellschaft gespeist.
Landschaften hab ich gesoffen
Und Illusionen geraucht.

Die Menschen, die ich getroffen,
Standen meist so zu den Sternen,
Dass man, um sie kennenzulernen,
Nicht erst zu verreisen braucht.

Das nennt man Drahtseilbahn: Es hing
Ein Zündholzschächtelchen an Zwirn.

Und ein Gewitter kam. – Das ging
Mir superior durch Herz und Hirn.

Wie tut ein wildes Wandern wohl,
Wenn man sein Einsamgehn durchleuchtet!

An allen Stellen angefeuchtet
Kam ich nach Hause aus Tirol.

Joachim Ringelnatz
Schöne Fraun mit schönen Katzen


Schöne Fraun und Katzen pflegen
Häufig Freundschaft, wenn sie gleich sind,
Weil sie weich sind
Und mit Grazie sich bewegen.

Weil sie leise sich verstehen,
Weil sie selber leise gehen,
Alles Plumpe oder Laute
Fliehen und als wohlgebaute
Wesen stets ein schönes Bild sind.

Unter sich sind sie Vertraute,
Sie, die sonst unzähmbar wild sind.

Fell wie Samt und Haar wie Seide.
Allverwöhnt. - Man meint, dass beide
Sich nach nichts, als danach sehnen,
Sich auf Sofas schön zu dehnen.

Schöne Fraun mit schönen Katzen,
Wem von ihnen man dann schmeichelt,
Wen von ihnen man gar streichelt,
Stets riskiert man, dass sie kratzen.

Denn sie haben meistens Mucken,
Die zuletzt uns andre jucken.
Weiß man recht, ob sie im Hellen
Echt sind oder sich verstellen?

Weiß man, wenn sie tief sich ducken,
Ob das nicht zum Sprung geschieht?
Aber abends, nachts, im Dunkeln,
Wenn dann ihre Augen funkeln,
Weiß man alles oder flieht
Vor den Funken, die sie stieben.

Doch man soll nicht Fraun, die ihre
Schönen Katzen wirklich lieben,
Menschen überhaupt, die Tiere
Lieben, dieserhalb verdammen.

Sind Verliebte auch wie Flammen,
Zu- und ineinander passend,
Alles Fremde aber hassend.

Ob sie anders oder so sind,
Ob sie männlich, feminin sind,
Ob sie traurig oder froh sind,
Aus Madrid oder Berlin sind,
Ob sie schwarz, ob gelb, ob grau, -

Auch wer weder Katz noch Frau
Schätzt, wird Katzen gern mit Frauen,
Wenn sie beide schön sind, schauen.

Doch begegnen Ringelnatzen
Hässlich alte Fraun mit Katzen,
Geht er schnell drei Schritt zurück.
Denn er sagt: Das bringt kein Glück.

Joachim Ringelnatz
Ich werde nicht enden zu sagen


Ich werde nicht enden zu sagen:
Meine Gedichte sind schlecht.
Ich werde Gedanken tragen
Als Knecht.
Ich werde sie niemals meistern
Und doch nicht ruhn.
Soll mich der Wunsch begeistern:
Es besser zu tun.

Joachim Ringelnatz (lustige Gedichte)
Heimatlose


Ich bin fast
Gestorben vor Schreck:
In dem Haus, wo ich zu Gast
War, im Versteck,
Bewegte sich,
Regte sich
Plötzlich hinter einem Brett
In einem Kasten neben dem Klosett,
Ohne Beinchen,
Stumm, fremd und nett
Ein Meerschweinchen.
Sah mich bange an,
Sah mich lange an,
Sann wohl hin und sann her,
Wagte sich
Dann heran
Und fragte mich:
"Wo ist das Meer?"

Joachim Ringelnatz (Freunde, Freundschaft Gedichte)
Ein Herz laviert nicht


Ich nenne keine Freundschaft heiß,
Die niemals, wenn's ihr unbequem,
Den Freund zu überraschen weiß
Trotzdem.

Denn wenn sie Zeit und Mühe scheut,
Ein Unverhofft zu bringen,
Das einen Freund unendlich freut,
Dann hat sie keine Schwingen.

Den Umfang einer Wolke misst
Kein Mensch. Weil sie nicht rastet,
Noch ihre Freiheit je vergisst. –
Ich glaube: Keine Wolke ist
Mit Arbeit überlastet.

Joachim Ringelnatz (Gedichte über das Leben)
Schiff


Wir haben keinen günstigen Wind.
Indem wir die Richtung verlieren,
Wissen wir doch, wo wir sind.
Aber wir frieren.

Und die darüber erhaben sind,
Die sollten nicht allzuviel lachen.
Denn sie werden nicht lachen, wenn sie blind
Eines Morgens erwachen.

Das Schiff, auf dem ich heute bin,
Treibt jetzt in die uferlose,
In die offene See. – Fragt ihr: "Wohin?"
Ich bin nur ein Matrose.

Joachim Ringelnatz (lustige Gedichte)
Die Schnupftabaksdose


Es war eine Schnupftabaksdose,
Die hatte Friedrich der Große
Sich selbst geschnitzelt aus Nussbaumholz.
Und darauf war sie natürlich stolz.

Da kam ein Holzwurm gekrochen.
Der hatte Nussbaum gerochen.
Die Dose erzählte ihm lang und breit
Von Friedrich dem Großen und seiner Zeit.

Sie nannte den alten Fritz generös.
Da aber wurde der Holzwurm nervös
Und sagte, indem er zu bohren begann:
"Was geht mich Friedrich der Große an!"

Joachim Ringelnatz (Gedichte über das Leben)
Arm Kräutchen


Ein Sauerampfer auf dem Damm
Stand zwischen Bahngeleisen,
Machte vor jedem D - Zug stramm,
Sah viele Menschen reisen.

Und stand verstaubt und schluckte Qualm,
Schwindsüchtig und verloren,
Ein armes Kraut, ein schwacher Halm,
Mit Augen, Herz und Ohren.

Sah Züge schwinden, Züge nahn.
Der arme Sauerampfer
Sah Eisenbahn um Eisenbahn,
Sah niemals einen Dampfer.

Joachim Ringelnatz (Gedichte über das Leben)
Überall


Überall ist Wunderland.
Überall ist Leben.
Bei meiner Tante im Strumpfenband.
Wie irgendwo daneben.
Überall ist Dunkelheit.
Kinder werden Väter.
Fünf Minuten später
Stirbt sich was für einige Zeit.
Überall ist Ewigkeit.

Wenn du einen Schneck behauchst,
Schrumpft er ins Gehäuse,
Wenn du ihn in Kognak tauchst,
Sieht er weiße Mäuse.

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