Novalis Gedichte - Friedrich von Hardenberg
Novalis: * 2. Mai 1772, † 25. März 1801
Novalis (Sinn des Lebens - Gedichte)
Allmächtiger Geist, Urquell aller Wesen...
Allmächtiger Geist, Urquell aller Wesen,
Zeus, Oramazes,
Brama, Jehova;
Vorm ersten Äon bist du schon gewesen
Und nach
dem letzten bist du auch noch da.
Du rufst aus ödem Dunkel Licht und Helle,
Aus wildem Chaos ein Elysium,
Du winkst und sieh! ein Tempe
wird zur Hölle
Und eine Sonne hüllet Nacht ringsum.
Aus deinem Mund fließt Leben und Gedeihen
In diesen Baum und in den Sirius
Und Nahrung streust du Myriaden Reihen
Geschöpfen aus und freudigen Genuss.
Ein Kind ruft seinen Vater an um Speise,
Ward es auch gleich schon tausend
Tage satt,
Wenn ihm der Vater gleich den Trunk und Speise
Auch
ungebeten stets gegeben hat.
Warum soll ich, ich Kind, dich Vater nimmer
Um Nahrung flehn, die du
mir so schon gabst?
Für Seel und Leib, um hoher Wahrheit Schimmer
Mit dem du nur geweihte Männer labst?
Gib mir, Geist, Schöpfer,
hohe Ruh der Seelen
In Freud und Glück beim bodenlosen Schmerz
Und
Weisheit immer echtes Gold zu wählen
Und Fülle der Empfindung in das Herz.
Gib mir der Herzensgüte, die bei allen
Was zweien Brüder trifft,
das Herz erregt;
Sanft seiner Freude Ausbruch nachzuhallen
Und
mitzuweinen, wenn ihn Drangsal schlägt.
Die Edle stählt den Mann,
der ihre Ehre
Gemordet, überall mit Schlangensinn;
Der sie
bedrückt mit seines Hasses Schwere;
Von des Verderbens Schlund
zurückzuziehn.
Die duldsam ihn lehrt Torheit immer
Zu tragen, die der Welt Tyrannin ist
Die ach so gerne nur bei schwachem Schimmer
Vor lautrer Weisheit
Menschentand vergisst.
Die mir nicht heißt den Bruder zu verachten
Dem
einen andern Glauben du verliehn,
Den redlichen Bramin mir mehr zu
achten
Gebeut, als einen finstern Augustin.
Gib mir, dass ich mit sanfter Lieb umfange
Hienieden jede deine Kreatur.
Und stummer Dank Erquickter mir die Wange
Mehr kühlt als Lenzeswehen der
Natur.
Zuletzt fleh ich dich noch um Trank und Speise
Für jeden
Lebenstag notdürftig an;
Und dass ich oft nach schlaff einfältger
Weise
Am Busen der Natur dir danken kann.
Novalis (Sinn des Lebens - Gedichte)
Am Sonnabend Abend
Bin ich noch der, der gestern Morgen
Dem Gott des Leichtsinns Hymnen sang
Und über allen Ernst und Sorgen
Der Freude leichte Geißel schwang –
Der, jeder Einladung entgegen,
Das Herz in beiden Händen, flog
Und wie ein junges Blut, verwegen
Auf jedes Abenteuer zog.
Der mit
den Kinderschuhen lange
Der Liebe Kartenhaus verließ,
Und wie das
Glück, in seinem Gange
An Reiche, wie an Karten, stieß,
Im Kampf der
neuen Elemente
Im Geist schon Sieger sang: ça va,
Und schon die
Schöpfung im Konvente
Und Gott, als Präsidenten, sah.
Der schlauer noch, als ein Berliner,
In Mädchen Jesuiten spürt,
Und
Vater Adams Gattin kühner,
Als wahren Stifter denunziert.
In dessen
Stube längst vergessen
Das Bild des Aberglaubens hing
Und der zum
Spott nur in die Messen
Von den Elftausend Jungfern ging.
Derselbe
kanns nicht sein, der heute
Beklemmt weit auf die Weste knöpft
Und schweigend an der Morgenseite
So emsig Luft von dorther schöpft.
Den vierzehn Jahre so entzücken,
(Bald sind die 7 Wochen voll)
Und der
in jeden Augenblicken,
Was anders will, was anders soll.
Ist das
der Mann, der Sieben Weisen
Im Umsehn in die Tasche steckt,
Den
schon die kürzeste der Reisen
So wundersam im Schlafe weckt.
Und der
noch kaum die stolzen Träume
Der Weisheit lahm fortschleichen sieht,
Als aus dem hoffnungsvollsten Keime
Für ihn ein Rosenstock schon blüht.
O! immer fort der Mann von Gestern,
Was kümmert seine Flucht denn mich
–
Die guten Stunden haben Schwestern,
Und Schwestern –
die gesellen sich.
Damit sie immer sich erkennen
Und immer froh
beisammen sein,
Will ich ein Wort zur Lösung nennen –
Sophie
soll die Losung sein.
Novalis (Gedichte über das Leben)
An Agathon
Wenn Könige mit Gunst dich überhäufen,
Rund um dich Gold in hohen Haufen
lacht,
Und zwanzig Schiffe dir durch alle Meere streifen,
Und für dein
Wohl Fortuna treulich wacht,
So rühmet jedermann dein Glück; doch
stets vergebens,
Denn hast du nicht dabei Philosophie des Lebens,
So
hast du nichts.
Novalis (Gedichte über den Tod)
An den Tod
Wie den Seraph himmlische Lust erfüllet,
Kommt der Brüder einer, auch
selger Engel,
Den des Himmels Freundschaft mit ihm verwebte
Zu dem
unsterblichen Bunde,
Wieder von der fernesten Welten einer
Wo er Glück und Segen die Fülle
ausstreut
Heitre Ruhe mit friedlicher Palme über
Tausend Geschöpfe
ergossen,
Und nun fällt in Engels Entzücken seinem
Freunde an die himmlische Brust
und dann im
Kusse, unaussprechbare Freundschaftswonne
Einet die
Seelen der Seraphs.
So werd ich mich freuen wenn du einst holder
Todesengel meine geengte Seele
Zu dem selgen Anschaun Jehovas durch die
Trennung vom Körper beflügelst.
Und sich dann die neidische Hülle abstreift
Gleich der Puppe welche den
Schmetterling hält
Und zerplatzet kommet die Zeit der Reife,
Jener
befreit dann entfliehet.
So wird sie auch fliehen die edle Seele
Aus dem Erdenstaube entlastet dort
zu
Jenen höhern, bessern Gefilden reich an
Seliger Ruhe und
Freiheit.
Wo ein ewger Frühling die Wangen kleidet
Und ich voll unsterblicher Kraft
die Schöpfung
Sehe, staune, himmlische Freundschaft mich un-
sterblichen Geistern vereinet.
Novalis (Sinn des Lebens - Gedichte)
An die Muse
Wem du bei der Geburt gelächelt,
Und Dichtergaben zugewinkt
Der,
süße Göttin, der erringt
Nicht Lorbeern, wo das Schlachtfeld
röchelt,
Und Blut in langen Strömen rinnt,
Der wird nicht im Triumphe
ziehen
Den ihm ein schwarzer Sieg gewinnt,
Und nie von Stolz und
Ehrsucht glühen
Wenn zwanzig Heere vor ihm fliehen
Dem Reiz des
Siegerruhmes blind.
Auch Hofintrigen und Kabalen
Kennt seine heitre
Seele nicht,
Und bleibt selbst bei Ministerwahlen
Gleichgültig,
Ehre reizt ihn nicht,
Und selbst die höchsten Ehrenstellen
Vermögen
nie was über ihn.
Auch strebt er nimmer über Wellen
Zu fernen Zonen
hinzuziehn,
Um mit Gefahren seines Lebens
Zu holen Purpur oder Gold
Und Perlen und was Sina zollt;
Denn Eigennutz reizt ihn vergebens.
Doch hüpft er gern auf grüner Flur
Mit jungen frohen Schäferinnen
Und
stimmt um Liebe zu gewinnen
Voll süßer Einfalt und Natur
Die kleine
Silbersaitenleier
Zur sanften, holden Frühlingsfeier:
Und singt,
wie Liebe ihm es lehrt
Auf heitern, ländlichen Gefilden
Von
seinem Mädchen nur gehört
Ihr süßes Lob und kränzt die wilden
Entrollten Locken wonnevoll.
Sein ruhig Auge sanft und milde
Blickt
keinen Hass und bittern Groll,
Lacht kummerlos und gleicht im Bilde
Dem Quell, der aus dem Felsen quoll;
Nicht Stürme wüten ihm im Busen
Kein Kummer scheucht ihm sanfte Ruh
Er sieht dem Schicksalswechsel zu
Voll Gleichmut und bleibt treu den Musen.
Novalis (Freunde, Freundschaft Gedichte)
An Dora
Soll dieser Blick voll Huld und Güte
Ein schnell verglommner Funken sein?
Webt keiner diese Mädchenblüte
In einen ewgen Schleier ein?
Bleibt
dies Gesicht der Treu und Milde
Zum Trost der Nachwelt nicht zurück?
Verklärt dies himmlische Gebilde
Nur Einen Ort und Augenblick?
Die Wehmut fließt in tiefen Tönen
Ins frohe Lied der Zärtlichkeit.
Niemals wird sich ein Herz gewöhnen
An die Mysterien der Zeit.
O!
diese Knospe süßer Stunden,
Dies edle Bild im Heilgenschein,
Dies soll
auf immer bald verschwunden,
Bald ausgelöscht auf ewig sein?
Der Dichter klagt und die Geliebte
Naht der Zypresse, wo er liegt.
Kaum birgt die Tränen der Betrübte,
Wie sie sich innig an ihn schmiegt.
Er heftet unverwandte Blicke
Auf diese liebliche Gestalt,
Dass er in
sein Gemüt sie drücke
Eh sie zur Nacht hinüberwallt.
Wie, spricht die Holde, du in Tränen?
Sag welche Sorge flog dich an?
Du bist so gut, ich darf nicht wähnen,
Dass meine Hand dir wehgetan.
Sei heiter, denn es kommt soeben
Ein Mädchen, wie die gute Zeit.
Sie
wird ein seltsam Blatt dir geben,
Ein Blatt, was dich vielleicht erfreut.
Wie, ruft der Dichter, halb erschrocken,
Wie wohl mir jetzt zumute ward.
Den Puls des Trübsinns fühl ich stocken,
Und eine schöne Gegenwart.
Die Muse tritt ihm schon entgegen,
Als hätte sie ein Gott gesandt
Und
reicht, wie alte Freunde pflegen,
Das Blatt ihm und die Lilienhand.
Du kannst nun deine Klagen sparen,
Dein innrer Wunsch ist dir gewährt,
Die Kunst vermag das zu bewahren
Was einmal die Natur verklärt;
Nimm
hier die festgehaltne Blüte,
Sieh ewig die Geliebte jung,
Einst Erd
und Himmel, Frucht und Blüte,
In reizender Vereinigung.
Wirst du gerührt vor diesen Zügen
Im späten Herbst noch stille stehn,
So wirst du leicht die Zeit besiegen
Und einst das ewge Urbild sehn.
Die Kunst in ihrem Zauberspiegel
Hat treu den Schatten aufgefasst,
Nur
ist der Schimmer seiner Flügel
Und auch der Strahlenkranz verblasst.
Kann jetzt der Liebende wohl danken?
Er sieht die Braut, er sieht das
Blatt.
Voll überschwänglicher Gedanken
Sieht er sich ewig hier nicht
satt.
Sie schlüpft hinweg und hört von weiten
Noch freundlich seinen
Nachgesang,
Doch bleibt ihr wohl zu allen Zeiten
Der Freundin Glück
der liebste Dank.
Novalis (Sinn des Lebens - Gedichte)
Anfang
Es kann kein Rausch sein – oder ich wäre nicht
Für diesen Stern geboren –
nur so von ohngefähr
In dieser tollen Welt zu nah an
Seinen
magnetischen Kreis gekommen.
Ein Rausch wär wirklich
sittlicher Grazie
Vollendetes Bewusstsein? –Glauben an Menschheit wär
Nur Spielwerk einer frohen Stunde –?
Wäre dies Rausch, was ist dann
dasLeben?
Soll ich getrennt sein ewig? – ist Vorgefühl
Der künftigen Vereinigung,
dessen, was
Wir hier für Unser schon erkannten,
Aber nicht ganz noch
besitzen konnten –
Ist dies auch Rausch? so bliebe der Nüchternheit,
Der Wahrheit nur die
Masse, der Ton, und das
Gefühl der Leere, des Verlustes
Und der
vernichtigenden Entsagung.
Womit wird denn belohnt für die Anstrengung
Zu leben wider Willen, Feind
von sich selbst zu sein
Und tief sich in den Staub getreten
Lächelnd
zu sehn – und Bestimmung meinen.
Was führt den Weisen denn durch des Lebens Tal,
Als Fackel zu dem höheren
Sein hinauf –
Soll er nur hier geduldig bauen,
Nieder sich legen und
ewig tot sein.
Du bist nicht Rausch – du Stimme des Genius,
Du Anschaun dessen, was uns
unsterblich macht,
Und du Bewusstsein jenes Wertes,
Der nur erst
einzeln allhier erkannt wird.
Einst wird die Menschheit sein, was Sophie mir
Jetzt ist – vollendet –
sittliche Grazie
Dann wird ihr höheres Bewusstsein
Nicht mehr
verwechselt mit Dunst des Weines.
Novalis (Gedichte über das Sterben) (Gedichte über den Tod)
An meine sterbende Schwester
Deinen Wangen entfloh’n Rosen des Jugend-Mai’s
Und es welkte dein Lenz,
Farbe des Todes liegt
Auf dem hageren Antlitz,
Nur dein Auge strahlt
Heiterkeit.
Leiden wurden dir früh, Pilgerin, vorgestreut,
Fühltest selten die Lust, welche uns Jugend reicht,
Doch trug heiteres
Mutes
Sie dein reifer, geübter Geist.
Schon winkt dir aus der
Fern’ seliger Ewigkeit
Der unsterbliche Kranz, harret der Siegerin,
Bald flieht Leiden und Leib der
Fessellose, geprüfte Geist.
Schaue, Selige, dann, bist du von Gott verklärt,
Freudenreiches Blicks auf
die Gefilde her,
Wo im Haine des Abends
Die Erinnerung mich umschwebt.
Lisple leiser um mich, wenn ich bei Mondenschein
Schau’ zur schimmernden
Flur, höhere Lieder sing’
Und mit Freuden verweile
Bei dem blumigen,
grünen Grab.
Novalis (heimliche Liebe, Liebesgedichte)
Das süßeste Leben
Lieblich murmelt meines Lebensquelle
Zwischen Rosenbüschen schmeichelnd hin,
Wenn ich eines Fürsten Liebling bin,
Unbeneidet auf der hohen Stelle;
Und von meiner stolzen Marmorschwelle
Güte nicht, die Herzenszauberin
Und die Liebe, aller Siegerin
Flieht zu einer Hütte oder Zelle
Süßer aber schleicht sie sich davon
Wenn ich unter traurenden Ruinen
Efeugleich geschmiegt an Karoline
Wehmutlächelnd les im Oberon
Oder bei der milchgefüllten Schale
Bürgers
Lieder sing im engen Tale.
Novalis (heimliche Liebe, Liebesgedichte)
Der Himmel war umzogen...
Der Himmel war umzogen,
Es war so trüb und schwül,
Heiß kam der Wind
geflogen
Und trieb sein seltsam Spiel.
Ich schlich in tiefem Sinnen,
Von stillem Gram verzehrt –
Was sollt ich
nun beginnen?
Mein Wunsch blieb unerhört.
Wenn Menschen könnten leben
Wie kleine Vögelein,
So wollt ich zu ihr
schweben
Und fröhlich mit ihr sein.
Wär hier nichts mehr zu finden,
Wär Feld und Staude leer,
So flögen,
gleich den Winden
Wir übers dunkle Meer.
Wir blieben bei dem Lenze
Und von dem Winter weit
Wir hätten Frücht
und Kränze
Und immer gute Zeit.
Die Myrte sprosst im Tritte
Der Wohlfahrt leicht hervor
Doch um des
Elends Hütte
Schießt Unkraut nur empor.
Mir war so bang zumute
Da sprang ein Kind heran,
Schwang fröhlich eine
Rute
Und sah mich freundlich an.
Warum musst du dich grämen?
O! weine doch nicht so,
Kannst meine Gerte
nehmen,
Dann wirst du wieder froh.
Ich nahm sie und es hüpfte
Mit Freuden wieder fort
Und stille Rührung
knüpfte
Sich an des Kindes Wort.
Wie ich so bei mir dachte,
Was soll die Rute dir?
Schwankt aus den
Büschen sachte
Ein grüner Glanz zu mir.
Die Königin der Schlangen
Schlich durch die Dämmerung.
Sie schien gleich
goldnen Spangen,
In wunderbarem Prunk.
Ihr Krönchen sah ich funkeln
Mit bunten Strahlen weit,
Und alles war im
Dunkeln
Mit grünem Gold bestreut.
Ich nahte mich ihr leise
Und traf sie mit dem Zweig,
So
wunderbarerweise
Ward ich unsäglich reich.
Novalis (Teufel Gedichte)
Der Teufel
Ein loser Schalk, in dessen Beutel
Es just nicht allzu richtig stand,
Und der den Spruch, dass leider alles eitel
Auf unserm Runde ist,
nur zu bestätigt fand,
Zog einst voll Spekulationen
In eine
Stadt en migniatur,
Und schlug an jedes Tor und an die
Rathaustür
Ein Avertissement mit vielen Worten schier,
Er werde
heut in den Drei Kronen
Um fünf Uhr nachmittags den Teufel jedermann
Vom Ratsherrn bis zum Bettelmann
Für zwanzig Kreuzer präsentieren
Und
ohne ihn bevor erst herzukommandieren.
Was Beine hatte, lief zum
großen Wundermann,
Und überall war eine Weihnachtsfreude;
Der
Bürgermeister schrieb mit Kreide
Den Tag an seiner Türe an,
Und
jeder Ratsherr kam mit einem Galakleide
Und einer knotigen Perücke angetan,
Und will das Wunder sehn; auch mancher Handwerksmann
Kam hübsch bedächtlich
angeschlichen
Und gab die Kreuzer hin, die er den Tag gewann.
Ein Schneider nur ging nicht zum Wundersmann
Und sprach: "Ich seh umsonst
den Teufel alle Tage
In meiner jungen Frau zu meiner größten Plage,
Und der ist toller fürwahr als der beim Wundersmann."
Als endlich
männiglichen
Der Held sich mit dem leeren Beutel zeigt
Und erst mit
wichtger Miene schweigt
Und dann geheimnisvoll nur wenig Worte saget
Und
seine Auditoren fraget,
Ob auch kein Atheist in der Versammlung sei,
Erstieg die Trunkenheit der blöden Phantasei
Den Gipfel, und der
Schalk beginnt die Gaukelei.
Nach manchem hocus-pocus ziehet
Der
Schalk den Beutel auf und jeglicher bemühet
Sich sehr den Leidigen zu sehn,
doch jeder siehet
Nichts auf der Welt–; ein junger Taugenichts,
Der näher stand, ein bel esprit, voll Zweifel
Wie mancher
Kandidat, beginnt: "Ich seh ja nichts."
"Das eben", rief der
Schalk, "das eben ist der Teufel."
Novalis (Frühlingsgedichte)
Es färbte sich die Wiese grün...
Es färbte sich die Wiese grün
Und um die Hecken sah ich blühn,
Tagtäglich sah ich neue Kräuter,
Mild war die Luft, der Himmel heiter.
Ich wusste nicht, wie mir geschah,
Und wie das wurde, was ich sah.
Und immer dunkler ward der Wald
Auch bunter Sänger Aufenthalt,
Es
drang mir bald auf allen Wegen
Ihr Klang in süßen Duft entgegen.
Ich
wusste nicht, wie mir geschah,
Und wie das wurde, was ich sah.
Es quoll und trieb nun überall
Mit Leben, Farben, Duft und Schall,
Sie
schienen gern sich zu vereinen,
Dass alles möchte lieblich scheinen.
Ich wusste nicht, wie mir geschah,
Und wie das wurde, was ich sah.
So dacht ich: ist ein Geist erwacht,
Der alles so lebendig macht
Und
der mit tausend schönen Waren
Und Blüten sich will offenbaren?
Ich
wusste nicht, wie mir geschah,
Und wie das wurde, was ich sah.
Vielleicht beginnt ein neues Reich –
Der lockre Staub wird zum Gesträuch
Der Baum nimmt tierische Gebärden
Das Tier soll gar zum Menschen werden.
Ich wusste nicht, wie mir geschah,
Und wie das wurde, was ich sah.
Wie ich so stand und bei mir sann,
Ein mächtger Trieb in mir begann.
Ein freundlich Mädchen kam gegangen
Und nahm mir jeden Sinn gefangen.
Ich wusste nicht, wie mir geschah,
Und wie das wurde, was ich sah.
Sie ging vorbei, ich grüßte sie,
Sie dankte, das vergess ich nie –
Ich
musste ihre Hand erfassen
Und Sie schien gern sie mir zu lassen.
Ich
wusste nicht, wie mir geschah,
Und wie das wurde, was ich sah.
Uns barg der Wald vor Sonnenschein
Das ist der Frühling fiel mir ein.
Kurzum, ich sah, dass jetzt auf Erden
Die Menschen sollten Götter werden.
Nun wusst ich wohl, wie mir geschah,
Und wie das wurde, was ich sah.
Novalis (Sinn des Lebens - Gedichte)
Gottlob! dass ich auf Erden bin
Gottlob! dass ich auf Erden bin
Und Leib und Seele habe;
Ich danke Gott
in meinem Sinn
Für diese große Gabe.
Der Leib ist mir doch herzlich lieb
Trotz seiner Fehl und Mängel,
Ich
nehme gern mit ihm vorlieb
Und neide keinen Engel.
Ich küsse gern mein braunes Weib
Und meine lieben Kinder,
Und das tut
wahrlich doch mein Leib,
Und mir ist es gesünder,
Als wenn ich mit Philosophie
Die Seele mir verdürbe,
Denn ein klein
wenig Not macht sie,
Die liebe Weisheit, mürbe.
Novalis (Lustige kurze Liebesgedichte)
Ich weiß nicht was
Jüngst als Lisettchen im Fenster saß,
Da kam Herr Filidor
Und küsste
sie,
Umschlang ihr weiches, weißes Knie;
Und sagt ihr was ins Ohr,
Ich weiß nicht was.
Dann gingen beide fort, er und sie,
Und lagerten sich hier
Im hohen
Gras
Und triebens frei in Scherz und Spaß;
Er spielte viel mit ihr,
Ich weiß nicht wie.
Zum Spiele hatt er viel Genie,
Er triebs gar mancherlei,
Bald so,
bald so,
Da wars das gute Mädel froh,
Doch seufzte sie dabei,
Ich weiß nicht wie?
Das Ding behagt dem Herren baß
Oft gings da capo an?
Doch hieß es drauf,
Nach manchem, manchem Mondenlauf,
Er hab ihr was
getan;
Ich weiß nicht was.
Novalis (Gedichte über Treue)
In stiller Treue sieht man gern ihn walten...
In stiller Treue sieht man gern ihn walten
Nicht wie die Meisten, mag er
sinnlos schweifen,
Er wünscht die dargebotne Rechte zu ergreifen
Der
bessern Zukunft, und sie fest zu halten.
Reichfarbig wird sich diese Knospe entfalten,
Das Auge sich für ferne
Welten schleifen
Zum Meister wird der treue Lehrling reifen
Und um
sich her ein neues Reich gestalten.
Wie fröhlich kann dankbar ein Freund verkünden
Was seinem Geist sich längst
vergnüglich zeigte
Wenn er des Jünglings Wandel still bedachte.
O! möchte jede Treue Treue finden
Und dass zu dem der Lilienstab sich neigte
Der Lust und Leben kranken Herzen brachte.
Novalis (Sinn des Lebens - Gedichte)
Wohin ziehst du mich...
Wohin ziehst du mich,
Fülle meines Herzens,
Gott des Rausches,
Welche Wälder, welche Klüfte
Durchstreif ich mit fremdem Mut.
Welche Höhlen
Hören in den
Sternenkranz
Cäsars ewigen Glanz mich flechten
Und den Göttern ihn
zugesellen.
Unerhörte, gewaltige
Keinen sterblichen Lippen
entfallene
Dinge will ich sagen.
Wie die glühende Nachtwandlerin
Die bacchische Jungfrau
Am Hebrus staunt
Und im thrazischenSchnee
Und in Rhodope im Lande der Wilden
So dünkt mir seltsam und fremd
Der
Flüsse Gewässer
Der einsame Wald
Novalis (Gedichte über die Jugend)
Walzer
Hinunter die Pfade des Lebens gedreht
Pausiert nicht, ich bitt euch so lang
es noch geht
Drückt fester die Mädchen ans klopfende Herz
Ihr wisst ja
wie flüchtig ist Jugend und Scherz.
Lasst fern von uns Zanken und Eifersucht sein
Und nimmer die Stunden mit
Grillen entweihn
Dem Schutzgeist der Liebe nur gläubig vertraut
Es
findet noch jeder gewiss eine Braut.
Novalis (Gedichte über das Leben)
Was passt, das muss sich ründen
Was passt, das muss sich ründen,
Was sich versteht, sich finden,
Was gut ist, sich verbinden,
Was liebt, zusammen sein.
Was hindert,
muss entweichen,
Was krumm ist, muss sich gleichen,
Was fern ist, sich
erreichen,
Was keimt, das muss gedeihn.
Gib treulich mir die
Hände,
Sei Bruder mir und wende
Den Blick vor deinem Ende
Nicht
wieder weg von mir.
Ein Tempel, wo wir knieen,
Ein Ort, wohin wir
ziehen,
Ein Glück, für das wir glühen,
Ein Himmel mir und dir!
Novalis (Kummer - Gedichte)
Wenn in bangen, trüben Stunden
Wenn in bangen, trüben Stunden
Unser Herz beinah' verzagt,
Wenn,
von Krankheit überwunden,
Angst in unserm Innern nagt,
Wir der
Treugeliebten denken,
Wie sie Gram und Kummer drückt,
Wolken unsern
Blick beschränken,
Die kein Hoffnungsstrahl durchblickt:
O! dann
neigt sich Gott herüber,
Seine Liebe kommt uns nah':
Sehnen wir uns
dann hinüber,
Steht sein Engel vor uns da,
Bringt den Kelch des
frischen Lebens,
Lispelt Mut und Trost uns zu,
Und wir beten nicht
vergebens
Auch für der Geliebten Ruh'.
Novalis (Geburtstagsgedichte)
Zu Sophiens Geburtstag
Wer ein holdes Weib errungen
Stimme seinen Jubel ein.
Mir ist dieser Wurf gelungen
Töne Jubel
– die ist mein.
So hat nie das Herz geschlagen
Nie so hoch und
nie so gut.
Künftig neigt vor meinen Tagen
Selbst der Glücklichste den
Hut.
Fest umschlingt den Bund der Herzen
Nun der Ring der Ewigkeit,
Und es bricht der Stab der Schmerzen
Am Altar der Einigkeit.
O
–! im Himmel ist geschlossen
Unsrer Herzen süßer Bund.
Ist ein bessrer
Spruch entflossen
Je des Schicksals weisen Mund?
Dir gehört nun
was ich habe,
Was ich denke fühle bin,
Und du nimmst nun jede Gabe
Meines Schicksals für dich hin.
Was ich sucht, hab ich gefunden,
Was ich fand, das fand auch mich,
Und die Geißel meiner Stunden
Zweifelsucht und Leichtsinn wich.
Nimmer soll mein Mund dich loben
Weil mein Herz zu warm dich ehrt.
Tief im Busen aufgehoben
Wohne
heimlich mir dein Wert.
Wenn ich wunde Herzen heile
Jede Stunde besser
bin
Nie im Guten lässig weile
Dieses Lob nimm dir dann hin.
Liebes Mädchen deiner Liebe
Dank ich Achtung noch und Wert,
Wenn sich
unsre Erdenliebe
Schon in Himmelslust verklärt.
Ohne dich wär ich noch
lange
Rastlos auf und ab geschwankt,
Und auf meinem Lebensgange
Oft am Überdruss erkrankt.
Wenn nur unsre Mutter wieder
Frisch und
ledig bei uns steht
Und im Kreise unsrer Brüder
Stolz die
Friedensfahne weht.
Wenn dann noch ein Süßer Trauter
Unsre Lolly fest
umschlang –
O –! Dann tönt noch zehnfach lauter
Unsres
Jubels Hochgesang.
Wenig still durchhoffte Jahre
Leiten unverwandt
zum Ziel,
Wo am glücklichen Altare
Endet unsrer Wünsche Spiel,
Uns, auf ewig Eins, verschwinden,
Wölkchen gleich, des Lebens Mühn
Und um unsre Herzen winden
Kränze sich von Immergrün.
Novalis (Gedichte über die Weinlese und Wein)
Zur Weinlese
Wir haben Weinmond, lieben Leute,
Und weil nicht immer Weinmond ist;
So
sag ichs euch in Versen heute,
Damit es keiner nicht vergisst. –
Wenn Weinmond ist, so müsst ihr wissen,
Da gibt es Trauben, Most und Wein,
Und weil die armen Beeren müssen,
So sprützen sie ins Fass hinein.
Es gibt gar unterschiedne Beeren,
Von allen Farben trifft man sie,
Und
manche hält man hoch in Ehren,
Und manche wirft man vor das Vieh.
Sie
sind im Temprament verschieden
Und von gar mancherlei Statur;
Doch
allen ist der Wein beschieden
Als Lieblingskindern der Natur.
Zu einem Stock will ich euch führen,
Das ist ein Stöckchen wie ein Taus,
Um seine Süßigkeit zu spüren
Sucht eine Traube euch heraus.
Ich lobe
mir die braven Wenden,
Sie langen zu, und sind nicht faul,
Sie
stecken gern mit beiden Händen
Die blauen Trauben in das Maul.
Nicht wahr, das schmeckt nicht herb und sauer?
Was gut schmeckt, weiß der
Wende wohl,
Er isst und geht gern auf die Dauer,
Und nimmt die beiden
Backen voll.
Drum kann er auch nicht Worte machen,
Er steht voll Eifer
da und kaut,
Doch sieht man ihn so schämig lachen
Als kaut er still an
einer Braut.
Frühlingsgedichte -
Sommergedichte -
Herbstgedichte -
Weihnachtsgedichte