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Heinrich von Kleist Gedichte

Heinrich von Kleist: * 18. Oktober 1777; † 21. November 1811

Heinrich von Kleist (Frieden Gedichte)
Der höhere Frieden


Wenn sich auf des Krieges Donnerwagen
Menschen waffnen auf der Zwietracht Ruf,
Menschen, die im Busen Herzen tragen,
Herzen, die der Gott der Liebe schuf:

Denk' ich, können sie mir doch nichts rauben,
Nicht den Frieden, der sich selbst bewährt,
Nicht die Unschuld, nicht an Gott den Glauben,
Der dem Hasse wie dem Schrecken wehrt.

Nicht des Ahorns dunklem Schatten wehren,
Dass er mich im Weizenfeld erquickt,
Und das Lied der Nachtigall nicht stören,
Die den stillen Busen mir entzückt.

Heinrich von Kleist (Freunde, Freundschaft Gedichte)
Leander und Selin


Leander und Selin, zwei Freunde, die
Ein gleiches Herz und gleicher Edelmut
Verband, traten in Geschäften einst
Zusammen eine Fahrt durch' Weltenmeer an.
Die Winde wehten erst der Gegend zu,
Die schon die Reisenden im Geiste sah'n.
Das Ufer floh, und bald erblickten sie
Ringsum nur Luft und Meer. Das Firmament
War heiter und voll Glanz. Sie segelten
In seinem Widerschein geruhig fort
Und nahten sich bereits der Reise Ziel
Als schnell ein reißender Orkan erwacht;
Der peitscht das Meer, durchwühlt den tiefen Grund,
Treibt, Berge gleich, die hohen Wogen fort,
Und schleudert mächtig gegen einen Fels
Das Schiff. Es scheitert. Jeder sucht dem Tod
Auf Trümmern von dem Schiffe zu entflieh'n.
Den beiden Freunden, ward ein Brett zu Teil,
Allein es war zu klein für seine Last.
"Wir sinken", sprach Selin, "das Brettchen trägt
Uns beide nicht. O Freund, leb' ewig wohl!
Du musst erhalten sein; an dir verliert
Das Wohl der Welt zu viel, und ohne dich
Wär' mir das Leben doch nur eine Qual."
"Nein!" sprach Leander, "nein, ich sterb', o Freund!"
Allein Selin verließ zu schnell das Brett,
Und übergab dem nassen Grab
Der Wasserwogen sich. Die Vorsehung,
Die über alles wacht, sah seine Treu'
Und seine Großmut an, und ließ das Meer
Ihm nicht zum Grabe sein. Mitleidig trägt's
Auf seinen Wellen ihn zum Ufer hin.
Er fand Leander schon daselbst. - O! wer
Beschreibt die namenlose Freude, die
Sie fühlten? Sie umarmten sich
Mit einer Tränenflut. Leander sprach:
"O allzuteurer Freund, in was für Qual
hat deine Freundschaft mich gestürzt! Ich hab'
Um dich zehnfache Todesangst gefühlt.
Was du tat'st, woll' ich tun; denn ohne dich
Wünscht' ich das Leben nicht." "Geliebtester,
Was wär' ich ohne dich?" versetzt' Selin.
"Der Himmel sei gelobt, der dich mir schenkt!
Komm, laß uns ihn, der uns vom Tod befreit,
Verehren und ihm ganz das Leben weih'n!"
Sie knieten nieder an das Ufer hin
Und dankten dem, der sie errettete,
Und ihr Gebet drang durch die Wolken, drang
Zu Gott. - Leander teilte mit Selin,
Der arm an Geld, doch reich an Tugend war,
All' seine Schätze, die Selin nur nahm,
Weil sich sein Freund dadurch beglückter fand.
Und Segen kam auf sie und auf ihr Haus,
Und lange waren sie der Nebenmenschen Glück.

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