Gedichte von Busch     Eichendorff     Goethe     Liebesgedichte     Morgenstern     Rilke

Kummergedichte

Friedrich Rückert (Kummer Gedichte)
Übertags kann ich den
Kummer

Übertags kann ich den Kummer
Tragen mit Ergebung,
Dann mich hüllen in den Schlummer,
Betend mit Erhebung.

Wenn die lieben Englein lachen
Nachts in meine Träume,
Schwer ist morgens das Erwachen
In die öden Räume.

Theodor Fontane (Kummer - Gedichte)
Am Jahrestag


Heut ist’s ein Jahr, dass man hinaus dich trug,
Hin durch die Gasse ging der lange Zug,
Die Sonne schien, es schwiegen Hast und Lärmen,
Die Tauben stiegen auf in ganzen Schwärmen.
Und rings der Felder herbstlich buntes Kleid,
Es nahm dem Kummerzuge fast sein Leid,
Ein Flüstern klang mit ein in den Choral,
Nun aber schwieg’s, - wir hielten am Portal.

Der Zug bog ein, da war das frische Grab,
Wir nächsten beide sahen still hinab,
Der Geistliche, des Tages letztes Licht
Umleuchtete sein freundlich ernst Gesicht,
Und als er nun die Abschiedsworte sprach,
Da sank der Sarg und Blumen fielen nach,
Spätrosen, rot und weiße, weiße Malven
Und mit den Blumen fielen die drei Salven.

Das klang so frisch in unser Ohr und Herz,
Hinschwand das Leid uns, aller Gram und Schmerz,
Das Leben, war dir’s wenig, war dir’s viel?
Ich weiß das eine nur, du bist am Ziel,
In Blumen durftest du gebettet werden,
Du hast die Ruh nun, Erde wird zu Erden,
Und kommt die Stund’ uns, dir uns anzureihn,
So lass die Stunde, Gott, wie diese sein.

Novalis (Kummer - Gedichte)
Wenn in bangen, trüben Stunden


Wenn in bangen, trüben Stunden
Unser Herz beinah' verzagt,
Wenn, von Krankheit überwunden,
Angst in unserm Innern nagt,
Wir der Treugeliebten denken,
Wie sie Gram und Kummer drückt,
Wolken unsern Blick beschränken,
Die kein Hoffnungsstrahl durchblickt:

O! dann neigt sich Gott herüber,
Seine Liebe kommt uns nah':
Sehnen wir uns dann hinüber,
Steht sein Engel vor uns da,
Bringt den Kelch des frischen Lebens,
Lispelt Mut und Trost uns zu,
Und wir beten nicht vergebens
Auch für der Geliebten Ruh'.

Trauergedichte - Herbstgedichte - Weihnachtsgedichte

Johann Wolfgang von Goethe (Kummer - Gedichte)
Trost der
Tränen

Wie kommt's, dass du so traurig bist,
Da alles froh erscheint?
Man sieht dir's an den Augen an;
Gewiss! du hast geweint.

"Und hab' ich einsam auch geweint,
So ist's mein eigner Schmerz,
Und Tränen fließen gar so süß,
Erleichtern mir das Herz."

Die frohen Freunde laden dich:
O, komm an unsre Brust!
Und was du auch verloren hast,
Vertraure den Verlust.

"Ihr lärmt und rauscht und ahnet nicht,
Was mich, den Armen quält.
Ach nein, verloren hab' ich's nicht,
So sehr es mir auch fehlt."

So raffe den dich eilig auf,
Du bist ein junges Blut.
In deinen Jahren hat man Kraft
Und zum Erwerben Mut.

"Ach, nein, erwerben kann ich's nicht,
Es steht mir gar zu fern.
Es weilt so hoch, es blinkt so schön,
Wie droben jener Stern."

Die Sterne, die begehrt man nicht,
Man freut sich ihrer Pracht,
Und mit Entzücken blickt man auf
In jeder heitern Nacht.

"Und mit Entzücken blick' ich auf
So manchen lieben Tag;
Verweinen lasst die Nächte mich,
So lang ich weinen mag."

Max Dauthendey (Kummer - Gedichte)
Leiden weinen ohne Tränen


Winter in der Brust,
Und durch argen Schnee
Müssen die Gedanken
Und durch Nebelblust,
Drinnen Krähen zanken.

Und doch stehen drunten
In den Sommerbeeten
Stolz die bunten Rosen,
Als ob nie und nimmer
Sie vergehen täten.

Winter in der Brust
Und der Sorgen Wust.
Muss vom toten Gestern
Blut mir borgen für das Morgen.
Tausend Nöte gähnen,
Und es meiden mich
Selbst des Trostes Schwestern -
Meine Leiden weinen ohne Tränen.

Justinus Kerner (Kummer - Gedichte)
Stille Tränen


Du bist vom Schlaf erstanden
Und wandelst durch die Au',
Da liegt ob allen Landen
Der Himmel wunderblau.

So lang du ohne Sorgen
Geschlummert schmerzenlos,
Der Himmel bis zum Morgen
Viel Tränen niedergoss.

In stillen Nächten weinet
Oft mancher aus den Schmerz,
Und morgens dann ihr meinet,
Stets fröhlich sei sein Herz.

Trauergedichte - Herbstgedichte - Weihnachtsgedichte

Gottfried August Bürger (Kummer - Gedichte)
Die Kuh


Frau Magdalis weint auf ihr letztes Stück Brot;
Sie konnt’ es vor Kummer nicht essen.
Ach, Witwen bekümmert oft größere Not,
Als glückliche Menschen ermessen!

"Wie tief ich auf immer geschlagen nun bin!
Was hab’ ich, bist du erst verzehret?" -
Denn Jammer! ihr Eins und ihr Alles war hin,
Die Kuh, die bisher sie ernähret. -

Heim kamen mit lieblichem Schellengetön
Die andern, gesättigt in Fülle,
Vor Magdalis’ Pforte blieb keine mehr stehn
Und rief ihr mit sanftem Gebrülle.

Wie Kindlein, welche der nährenden Brust
Der Mutter sich sollen entwöhnen,
So klagt’ sie dem Abend, der Nacht den Verlust
Und löschte ihr Lämpchen mit Tränen.

Sie sank auf ihr ärmliches Lager dahin
In hoffnungslosem Verzagen,
Verwirrt und zerrüttet an jeglichem Sinn,
An jeglichem Gliede zerschlagen.

Doch stärkte kein Schlaf sie vom Abend bis früh.
Schwer abgemüdet, im Schwalle
Von ängstlichen Träumen, erschütterten sie
Die Schläge der Glockenuhr alle.

Früh tat ihr des Hirtenhornes Getön
Ihr Elend von Neuem zu wissen.
"O wehe! nun hab’ ich Nichts, aufzustehn!" -
So schluchzte sie nieder in’s Kissen.

Sonst weckte des Hornes Geschmetter ihr Herz,
Den Vater der Güte zu preisen,
Jetzt zürnet und hadert entgegen ihr Schmerz
Dem Pfleger der Witwen und Weisen.

Und horch! auf Ohr und auf Herz, wie ein Stein,
Fiel’s ihr mit dröhnendem Schalle.
Ihr rieselt’ ein Schauer durch Mark und Gebein;
Es dünkt ihr wie Brüllen im Stalle.

"O Himmel! Verzeihe mir jegliche Schuld,
Und ahnde nicht meine Verbrechen!"
Sie wähnt’, es erhöbe sich Geistertumult,
Ihr sträfliches Zagen zu rächen.

Kaum aber hatte vom schrecklichen Ton
Sich mählig der Nachhall verloren,
So drang ihr noch lauter und deutlicher schon
Das Brüllen vom Stalle zu Ohren.

"Barmherziger Himmel, erbarme dich mein,
Und halte den Bösen in Banden!"
Tief barg sie das Haupt in die Kissen hinein,
Daß Hören und Sehen ihr schwanden.

Hier schlug ihr, indem sie im Schweiße zerquoll,
Das bebende Herz wie ein Hammer;
Und drittes noch lauteres Brüllen erscholl,
Als wär’s vor dem Bett in der Kammer.

Nun sprang sie mit wildem Entsetzen heraus,
Stieß auf die Laden der Zelle;
Schon strahlte der Morgen; der Dämmerung Graus
Wich seiner erfreulichen Helle.

Und als sie mit heilgem Kreuz sich versehn:
"Gott helfe mir gnädiglich, Amen!"
Da wagte sie’s zitternd, zum Stalle zu gehen
In Gottes allmächtigem Namen.

O Wunder! Hier kehret die herrliche Kuh,
So glatt und so blank wie ein Spiegel,
Die Stirne mit silbernem Sternchen ihr zu.
Vor Staunen entsank ihr der Riegel.

Dort füllte die Krippe frisch duftender Klee,
Und Heu den Stall, sie zu nähren;
Hier leuchtet’ ein Eimerchen, weiß wie der Schnee,
Die strotzenden Euter zu leeren.

Sie trug ein zierlich beschriebenes Blatt
Um Stirn und Hörner gewunden:
"Zum Troste der guten Frau Magdalis hat
N.N. hierher mich gebunden." -

Gott hatt’ es ihm gnädig verliehen, die Not
Der Armen so wohl zu ermessen.
Gott hatt’ ihm verliehen ein Stücklein Brot,
Das konnt’ er alleine nicht essen. -

Mir däucht, ich wäre von Gott ersehn,
Was gut und was schön ist, zu preisen;
Daher besing’ ich, was gut ist und schön,
In schlichten, einfältigen Weisen.

"So", schwur mir ein Maurer, "so ist es geschehn!"
Allein er verbot mir den Namen.
Gott lass’ es dem Edlen doch wohl ergehn!
Das bet’ ich herzinniglich, Amen!

Trauergedichte - Herbstgedichte - Weihnachtsgedichte