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Themen:

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Christian Morgenstern Gedichte

Christian Morgenstern (Erste Liebe Gedichte)
Begegnung


Wir saßen an zwei Tischen - wo? - im All ...
Was Schenke, Stadt, Land, Stern - was tut´ s dazu!
Wir saßen irgendwo im Reich des Lebens ...
Wir saßen an zwei Tischen,hier und dort.
Und meine Seele brannte: Fremdes Mädchen,
wenn ich in deine Augen dichten dürfte -
wenn dieser königliche Mund mich lohnte -
und diese königliche Hand mich krönte -
Und deine Seele brannte: Fremder Jüngling,
wer bist du,dass du mich so tief erregtest -
dass ich die Knie dir umfassen möchte -
und sagen nichts als: Liebster,Liebster, Liebster -!
Und unsre Seelen schlugen fast zusammen.
Doch jeder blieb an seinem starren Tisch -
und stand zuletzt mit denen um ihn auf -
und ging hinaus - und sahn uns nimmermehr.

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Christian Morgenstern (Herbstgedichte)
Blätterfall


Der Herbstwald raschelt um mich her.
Ein unabsehbar Blättermeer
Entperlt dem Netz der Zweige.
Du aber,dessen schweres Herz
Mitklagen will den großen Schmerz:
Sei stark,sei stark und schweige!

Du lerne lächeln,wenn das Laub
Dem leichteren Wind ein leichter Raub
Hinabschwankt und verschwindet.
Du weißt,dass just Vergänglichkeit
Das Schwert,womit der Geist der Zeit
Sich selber überwindet.

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Christian Morgenstern
Der Abend


Auf braunen Sammetschuhen geht
der Abend durch das müde Land,
sein weiter Mantel wallt und weht,
und Schlummer fällt von seiner Hand.

Mit stiller Fackel steckt er nun
der Sterne treue Kerzen an.
Sei ruhig, Herz! Das Dunkel kann
dir nun kein Leid mehr tun.

Christian Morgenstern (Sommergedichte)
Butterblumengelbe Wiesen


Butterblumengelbe Wiesen,
sauerampferrot getönt,-
o du überreiches Sprießen,
wie das Aug dich nie gewöhnt!


Wohlgesangdurchschwellte Bäume,
wunderblütenschneebereift -
ja, fürwahr, ihr zeigt uns Träume,
wie die Brust sie kaum begreift.

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Christian Morgenstern (Gedichte über Pferde)
Das Polizeipferd


Palmström führt ein Polizeipferd vor.
Dieses wackelt mehrmals mit dem Ohr
und berechnet den ertappten Tropf
logarhythmisch und auf Spitz und Knopf.


Niemand wagt von nun an einen Streich:
denn der Gaul berechnet ihn sogleich.
Offensichtlich wächst im ganzen Land
menschliche Gesittung und Verstand.

Christian Morgenstern (Sommergedichte)
Der Hügel


Wie wundersam ist doch ein Hügel,
der sich ans Herz der Sonne legt,
indes des Winds gehalt'ner Flügel
des Gipfels Gräser leicht bewegt.

Mit bunten Faltertanz durchwebt sich,
von wilden Bienen singt die Luft
und aus der warmen Erde hebt sich
ein süßer hingeb'ner Duft.

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Christian Morgenstern (Mondgedichte)
Der Mond


Als Gott den lieben Mond erschuf,
gab er ihm folgenden Beruf:

Beim Zu- sowohl wie beim Abnehmen
sich deutschen Lesern zu bequemen,

ein a formierend und ein z
dass keiner groß zu denken hätt’.

Befolgend dies ward der Trabant
ein völlig deutscher Gegenstand.

Christian Morgenstern (lustige Gedichte)
Der Schnupfen


Ein Schnupfen hockt auf der Terrasse,
auf dass er sich ein Opfer fasse

- und stürzt alsbald mit großem Grimm
auf einen Menschen namens Schrimm.

Paul Schrimm erwidert prompt: "Pitschü!"
und hat ihn drauf bis Montag früh.

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Christian Morgenstern (traurige Liebesgedichte)
Der Seufzer


Ein Seufzer lief Schlittschuh auf nächtlichem Eis
und träumte von Liebe und Freude.
Es war an dem Stadtwall, und schneeweiß
glänzten die Stadtwallgebäude.

Der Seufzer dacht an ein Maidelein
und blieb erglühend stehen.
Da schmolz die Eisbahn unter ihm ein -
und er sank - und ward nimmer gesehen.

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Christian Morgenstern (Tiergedichte)
Der Specht


Wie ward Dir Specht, so große Kraft!
Von Deinem Klopfen tönt der ganze Schaft
der hohlen Kiefer. Wär auch mir vergönnt,
dass ich die Menschen so durchdringen könnt.

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Christian Morgenstern (lustige Gedichte)
Der Tanz


Ein Vierviertelschwein und eine Auftakteule
trafen sich im Schatten einer Säule,
die im Geiste ihres Schöpfers stand.
Und zum Spiel der Fiedelbogenpflanze
reichten sich die zwei zum Tanze
Fuß und Hand.

Und auf seinen dreien rosa Beinen
hüpfte das Vierviertelschwein graziös,
und die Auftakteul' auf ihrem einen
wiegte rhythmisch ihr Gekrös.
Und der Schatten fiel,
und der Pflanze Spiel
klang verwirrend melodiös.

Doch des Schöpfers Hirn war nicht von Eisen,
und die Säule schwand,wie sie gekommen war;
und so musste denn auch unser Paar
wieder in sein Nichts zurücke reisen.
Einen letzten Strich
tat das Geigerich -
und dann war nichts weiter zu beweisen.

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Christian Morgenstern (lustige Wintergedichte)
Die drei Spatzen


In einem leeren Haselstrauch,
da sitzen drei Spatzen,Bauch an Bauch.

Der Erich rechts und links der Franz
und mittendrin der freche Hans.

Sie haben die Augen zu, ganz zu,
und obendrüber,da schneit es, hu!

Sie rücken zusammen dicht an dicht,
so warm wie Hans hat's niemand nicht.

Sie hör'n alle drei ihrer Herzlein Gepoch.
Und wenn sie nicht weg sind,so sitzen sie noch.

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Christian Morgenstern (lustige Gedichte)
Die Probe


Zu einem seltsamen Versuch
erstand ich mir ein Nadelbuch.

Und zu dem Buch ein altes zwar,
doch äußerst kühnes Dromedar.

Ein Reicher auch daneben stand,
zween Säcke Gold in jeder Hand.

Der Reiche ging alsdann herfür
und klopfte an die Himmelstür.

Drauf Petrus sprach: Geschrieben steht,
dass ein Kamel weit eher geht

durchs Nadelöhr, als Du, du Heid,
durch diese Türe groß und breit!'

Ich,glaubend fest an Gottes Wort,
ermunterte das Tier sofort,

ihm zeigend hinterm Nadelöhr
ein Zuckerhörnchen als Douceur.

Und in der Tat! Das Vieh ging durch,
obzwar sich quetschend wie ein Lurch!

Der Reiche aber sah ganz stier
und sagte nichts als: Wehe mir!

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Christian Morgenstern (Liebesgedichte)
Diese Rose von heimlichen Küssen schwer


Diese Rose von heimlichen Küssen schwer:
Sieh,das ist unsre Liebe.
Unsre Hände reichen sie hin und her,
unsre Lippen bedecken sie mehr und mehr
mit Worten und Küssen sehnsuchtsschwer,
unsre Seelen grüßen sich hin und her -
wie über ein Meer - wie über ein Meer -
Diese Rose vom Duft unsrer Seelen schwer:
sieh,das ist unsre Liebe.

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Christian Morgenstern (lustige Gedichte)
Die zwei Parallelen


Es gingen zwei Parallelen
ins Endlose hinaus,
zwei kerzengerade Seelen
und aus solidem Haus.

Sie wollten sich nicht schneiden
bis an ihr seliges Grab:
Das war nun einmal der beiden
geheimer Stolz und Stab.

Doch als sie zehn Lichtjahre
gewandert neben sich hin,
da wards dem einsamen Paare
nicht irdisch mehr zu Sinn.

Warn sie noch Parallelen?
Sie wusstens selber nicht, -
sie flossen nur wie zwei Seelen
zusammen durch ewiges Licht.

Das ewige Licht durchdrang sie,
da wurden sie eins in ihm;
die Ewigkeit verschlang sie
als wie zwei Seraphim.

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Christian Morgenstern (Liebesgedichte)
Du bist mein Land


Du bist mein Land,
ich deine Flut,
die sehnend dich ummeeret;
Du bist der Strand,
dazu mein Blut
ohn' Ende wiederkehret.
An dich geschmiegt,
mein Spiegel wiegt
das Licht der tausend Sterne;
und leise rollt
dein Muschelgold
in meine Meergrundferne.

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Christian Morgenstern (Gedichte über das Meer, die See)
Es war ein solcher Vormittag ...


Es war ein solcher Vormittag,
wo man die Fische singen hörte,
kein Lüftchen lief, kein Stimmchen störte,
kein Wellchen wölbte sich zum Schlag.

Nur sie, die Fische, brachen leis
der weit und breiten Stille Siegel
und sangen millionenweis'
dicht unter dem durchsonnten Spiegel.

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Christian Morgenstern (lustige Gedichte)
Gespenst


Es gibt ein Gespenst,
das frisst Taschentücher;
Es begleitet dich
auf deiner Reise,
es frisst dir aus dem Koffer,
aus dem Bett,
aus dem Nachttisch,
wie ein Vogel
aus der Hand,
vieles weg,-
nicht alles, nicht auf ein Mal.
Mit achtzehn Tüchern,
stolzer Segler,
fuhrst du hinaus
aufs Meer der Fremde,
mit acht bis sieben
kehrst du zurück,
ein Gram der Hausfrau.

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Christian Morgenstern (Liebesgedichte)
Glück ist wie Blütenduft


Glück ist wie Blütenduft,
der dir vorüber fliegt ...
Du ahnest dunkel Ungeheures,
dem keine Worte dienen -
schließest die Augen,
wirfst das Haupt zurück -
und,ach!
vorüber ist's.

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Christian Morgenstern (Herbstgedichte)
Herbst Gedichte


Zu Golde ward die Welt;
zu lange traf
der Sonne süßer Strahl
das Blatt, den Zweig.
Nun neig
dich, Welt, hinab.

Bald sinkt's von droben dir
in flockigen Geweben
verschleiernd zu -
und bringt dir Ruh,
o Welt,
o dir, zu Gold geliebtes Leben,
Ruh.

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Christian Morgenstern (Liebesgedichte)
Hier im Wald mit dir zu liegen


Hier im Wald mit dir zu liegen,
moosgebettet, windumatmet,
in das Flüstern,in das Rauschen
leise liebe Worte mischend,
öfter aber noch dem Schweigen
lange Küsse zugesellend,
unerschöpflich - unersättlich,
hingegebne, hingenommne,
ineinander aufgelöste,
zeitvergessne, weltvergessne.
Hier im Wald mit dir zu liegen,
moosgebettet, windumatmet.

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Christian Morgenstern (lustige Gedichte)
Himmel und Erde


Der Nachtwindhund weint wie ein Kind,
dieweil sein Fell von Regen rinnt.

Jetzt jagt er wild das Neumondweib,
das hinflieht mit gebognem Leib.

Tief unten geht, ein dunkler Punkt,
querüberfeld ein Forstadjunkt.

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Christian Morgenstern (Liebesgedichte)
Leere


Mein Herz ist leer,
ich liebe dich
nicht mehr.

Erfülle mich!
Ich rufe bitterlich
nach dir.

Im Traume zeig
dich mir
und neig
dich zu mir her!

Erfülle mich
mit dir
auf ewiglich!

Ich trag's nicht mehr, -
ich liebe dich
zu sehr.

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Christian Morgenstern (Gedichte über das Leben)
Licht ist Liebe


Licht ist Liebe. Sonnen - Weben
Liebes - Strahlung einer Welt
schöpferischer Wesenheiten -

die durch unerhörte Zeiten
uns an ihrem Herzen hält,
und die uns zuletzt gegeben

ihren höchsten Geist in eines
Menschen Hülle während dreier
Jahre: da Er kam in Seines

Vaters Erbteil - nun der Erde
innerlichstes Himmelsfeuer:
dass auch sie einst Sonne werde.

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Christian Morgenstern (Liebeskummer Gedichte)
Mein Herz ist leer (Kein Titel)


Mein Herz ist leer,
ich liebe dich
nicht mehr.

Erfülle mich!
Ich rufe bitterlich
nach dir.

Im Traume zeig
dich mir
und neig
dich zu mir her!

Erfülle mich
mit dir
auf ewiglich!

Ich trag' s nicht mehr, -
ich liebe dich
zu sehr.

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Christian Morgenstern (Wintergedichte)
Neuschnee


Flockenflaum zum ersten Mal zu prägen
mit des Schuhs geheimnisvoller Spur,
einen ersten schmalen Pfad zu schrägen
durch des Schneefelds jungfräulicher Flur -

Kindisch ist und köstlich solch Beginnen,
wenn der Wald dir um die Stirne rauscht
oder mit bestrahlten Gletscherzinnen
deine Seele leuchtende Grüße tauscht.

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Christian Morgenstern (Liebesgedichte Liebeskummer)
Nun hast auch du


Nun hast auch du, mein Herze,
dein großes Liebesleid,
nun bist auch du vom Schmerze
gesegnet und geweiht.

Von heut ab wird dein Klagen
nicht tändeln mehr wie einst,
und auch dein schönstes Sagen
wird sein, als ob du weinst.

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Christian Morgenstern (Oktober Gedichte)
Oktobersturm


Schwankende Bäume
im Abendrot -
Lebenssturmträume
vor purpurnem Tod -

Blättergeplauder -
wirbelnder Hauf -
nachtkalte Schauder
rauschen herauf.

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Christian Morgenstern (Blumengedichte)
Von den heimlichen Rosen


Oh,wer um alle Rosen wüsste,
die rings in stillen Gärten stehn
oh,wer um alle wüsste, müsste
wie im Rausch durchs Leben gehn.

Du brichst hinein mit rauhen Sinnen,
als wie ein Wind in einen Wald
und wie ein Duft wehst du von hinnen,
dir selbst verwandelte Gestalt.
Oh, wer um alle Rosen wüsste,
die rings in stillen Gärten stehn
oh,wer um alle wüsste,müsste
wie im Rausch durchs Leben gehn.

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Christian Morgenstern (Liebesgedichte)
Es ist Nacht


Es ist Nacht,
und mein Herz kommt zu dir,
hält's nicht aus,
hält's nicht aus mehr bei mir.

Legt sich dir auf die Brust,
wie ein Stein,
sinkt hinein,
zu deinem hinein.

Dort erst,
dort erst kommt es zur Ruh,
liegt am Grund
seines ewigen Du.

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Christian Morgenstern (lustige Gedichte)
Nein!


Pfeift der Sturm?
Keift ein Wurm?
Heulen
Eulen
hoch vom Turm?

Nein!

Es ist das Galgenstrickes
dickes
Ende, welches ächzte,
gleich als ob
im Galopp
eine müdgehetzte Mähre
nach dem nächsten Brunnen lechzte
(der vielleicht noch ferne wäre).

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Christian Morgenstern (Herbstgedicht)
Novembertag


Nebel hängt wie Rauch ums Haus,
drängt die Welt nach innen;
ohne Not geht niemand aus;
alles fällt in Sinnen.
Leiser wird die Hand, der Mund,
stiller die Gebärde.
Heimlich, wie auf Meeresgrund,
träumen Mensch und Erde.

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Christian Morgenstern (Herbstgedichte)
Septembertag


Dies ist des Herbstes leidvoll süße Klarheit,
die dich befreit, zugleich sie dich bedrängt;
wenn das kristallene Gewand der Wahrheit
sein kühler Geist um Wald und Berge hängt.

Dies ist des Herbstes leidvoll süße Klarheit.

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Christian Morgenstern (Erste Liebe Gedichte)
War das die Liebe?


War das die Liebe, die mich gestern streifte,
wie eines seidenen Gewandes Atem
im Dunkel,wie ein windvertragner Duft,
wie Harmonien aus der blauen Nacht,
woher,du weißt es nicht,doch stockt dein Blut
und horcht in die Geheimnisse der Dinge ...
und all dein Wesen flutet zögernd aus,
du fühlst dich wie ein Strom die Welt durchrinnen
und ahnst doch noch ein Mehr - als - diese - Welt,
wie hinter feiner Schleier Wehr noch wartend,
ein Himmelreich voll Blüten, Früchten, Sonnen,
und lächelnd winkt,die dich so sehr gerührt.

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Christian Morgenstern (schöne Liebesgedichte)
Deine Rosen an der Brust


Deine Rosen an der Brust
sitz ich unter fremden Menschen,
lass sie reden, lass sie lärmen,
jung Geheimnis tief im Herzen.

Wenn ich einstimm in ihr Lachen
ist's das Lachen meiner Liebe;
wenn ich ernst dem Nachbar lausche,
lausch ich selig still nach innen.

Einen ganzen langen Abend
muss ich fern dir,Liebster, weilen,
küssend heimlich, ohne Ende,
Deine Rosen an der Brust.

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Christian Morgenstern (Liebesgedichte)
Liebeslied


Ich bin eine Harfe
Mit goldenen Saiten,
Auf einsamem Gipfel
Über die Fluren
Erhöht.

Du lass die Finger leise
Und sanft darübergleiten,
Und Melodien werden
Aufraunen und aufrauschen,
Wie nie noch Menschen hörten.
Das wird ein heilig Klingen
Über den Landen sein.

Ich bin eine Harfe
Mit goldenen Saiten,
Auf einsamem Gipfel
Über die Fluren
Erhöht,
Und harre Deiner,
Oh Priesterin!
Dass meine Geheimnisse
Aus mir brechen

Und meine Tiefen
Zu reden beginnen
Und wie ein Mantel
Meine Töne
Um Dich fallen -
Ein Purpurmantel
Der Unsterblichkeit.

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Christian Morgenstern (Nordsee-, Ostsee-Gedichte)
Meer am Morgen


Herrlich schäumende Salzflut
im Morgenlicht,
die tiefen Bläuen
in weißen Stürzen auskämmend,
hin
über grünere Seichten
zur Küste stürmend -
aus - rollend dich nun,
die Felsen hochauf umleuchtend!
Metallgrün
stehen die runden rauschenden Büsche
vor deinen fernher schwärzlichen Böen,
und rötlich milchige Wolken
strecken sich lang
in den zärtesten Himmel
darüber.

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Christian Morgenstern (Weihnachtsgedichte)
Weihnachtsbäumlein


Das Weihnachtsbäumlein
Es war einmal ein Tännelein
mit braunen Kuchenherzlein
und Glitzergold und Äpflein fein
und vielen bunten Kerzlein:
Das war am Weihnachtsfest so grün
als fing es eben an zu blühn.

Doch nach nicht gar zu langer Zeit,
da stands im Garten unten,
und seine ganze Herrlichkeit
war,ach,dahingeschwunden.
die grünen Nadeln warn'n verdorrt,
die Herzlein und die Kerzlein fort.

Bis eines Tags der Gärtner kam,
den fror zu Haus im Dunkeln,
und es in seinen Ofen nahm -
Hei! Tats da sprühn und funkeln!
Und flammte jubelnd himmelwärts
in hundert Flämmlein an Gottes Herz.

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Christian Morgensternn (lustige Gedichte)
Schnauz und Miez


Ri-ra-rumpelstiez,
wo ist der Schnauz, Wo ist die Miez?
Der Schnauz, der liegt am Ofen
und leckt sich seine Pfoten.
Die Miez,die sitzt am Fenster
und wäscht sich ihren Spenzer.
Rumpeldipumpel, schnaufeschnauf,
da kommt die Frau die Trepperauf.
Was bringt die Frau dem Kätzchen?
Einen Knäul, einen Knäul, mein Schätzchen,
einen Knäul aus grauem Wollenflaus,
der aussieht wie eine kleine Maus.
Was bringt die Frau dem Hündchen?
Ein Halsband, mein Kindchen,
ein Halsband von besondrer Art,
auf welchem steht: Schnauz Schnauzebart.
Ri-ra-rumpeldidaus,
und damit ist die Geschichte aus.

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Christian Morgenstern
Sonnenuntergang


Am Untersaum
des Wolkenvorhangs
hängt der Sonne
purpurne Kugel.
Langsam zieht ihn
die goldene Last
zur Erde nieder,
bis die bunten Falten
das rotaufzuckende Grau
des Meeres berühren.

Ausgerollt ist
der gewaltige Vorhang.
Der tiefblaue Grund,
unten mit leuchtenden Farben
breit gedeckt,
bricht darüber
in mächtiger Fläche hervor,
karg mit verrötenden
Wolkengirlanden durchrankt
und mit silbernen Sternchen
glitzernd durchsät.
Aus schimmernden Punkten
schau ich das Bild
einer ruhenden Sphinx
kunstvoll gestickt.

Eine Ankerkugel,
liegt die Sonne im Meer.
Das eintauchende Tuch,
schwer von der Nässe,
dehnt sich hinein in die Flut.
Die Farben blassen,
mählig verwaschen.
Und bald strahlt
vom Himmel zur Erde
nur noch
der tiefe, satte Ton
blauschwarzer Seide.

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Christian Morgenstern (lustige Gedichte)
Unter Zeiten


Das Perfekt und das Imperfekt
tranken Sekt.
Sie stießen auf Futurum an
(was man wohl gelten lassen kann)

Plusquamper und Exaktfutur
blinzten nur.

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Christian Morgenstern (Wintergedichte)
Winter


Der Fjord mit seinen Inseln liegt
wie eine Kreidezeichnung da;
die Wälder träumen schnee-umschmiegt,
und alles scheint so traulich nah.
So heimlich ward die ganze Welt...
als dämpfte selbst das herbste Weh
aus stillem, tiefem Wolkenzelt
geliebter, weicher, leiser Schnee.

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Christian Morgenstern (Tiergedichte)
Mensch und Tier


Ich war im Garten,wo sie all die Tiere
gefangen halten; glücklich schienen viele,
in heitern Zwingern treibend muntre Spiele,
doch andre hatten Augen,tote,stiere.
Ein Silberfuchs, ein wunderzierlich Wesen,
besah mich unbewegt mit stillen Blicken.
Er schien so klug sich in sein Los zu schicken,
doch konnte ich in seinem Innern lesen.
Und andre sah ich mit verwandten Mienen
und andre rastlos hinter starren Gittern -
und wunder Liebe fühlt ich mich erzittern,
und meine Seele wurde eins mit ihnen.

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Christian Morgenstern (Wintergedichte)
Wenn es Winter wird


Der See hat eine Haut bekommen,
so dass man fast drauf gehen kann,
und kommt ein großer Fisch geschwommen,
so stößt er mit der Nase an.

Und nimmst du einen Kieselstein
und wirfst ihn drauf, so macht es klirr
und titscher - titscher - titscher - dirr...
Heißa, du lustiger Kieselstein!

Er zwitschert wie ein Vögelein
und tut als wie ein Schwälblein fliegen -
doch endlich bleibt mein Kieselstein

ganz weit,ganz weit auf dem See draußen liegen.
Da kommen die Fische haufenweis
und schaun durch das klare Fenster von Eis
und denken,der Stein wär etwas zum Essen;
doch sosehr sie die Nase ans Eis auch pressen,
das Eis ist zu dick, das Eis ist zu alt,
sie machen sich nur die Nasen kalt.

Aber bald,aber bald
werden wir selbst auf eignen Sohlen
hinausgehn können und den Stein wiederholen.

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Christian Morgensternn (Wintergedichte)
Es war einmal eine Glocke


Es war einmal eine Glocke,
die machte baum, baum.
Und es war einmal eine Flocke,
die fiel dazu wie im Traum.

Die fiel dazu wie im Traum....
Die sank so leis hernieder
wie ein Stück Engleingefieder
aus dem silbernen Sternenraum.

Es war einmal eine Glocke,
die machte baum, baum.
Und dazu fiel eine Flocke,
so leise wie im Traum.

So leis als wie ein Traum.
Und als vieltausend gefallen leis,
da war die ganze Erde weiß,
als wie von Engleinflaum.

Da war die ganze Erde weiß,
als wie von Engleinflaum.

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Christian Morgenstern
Zäzilie


Zäzille soll die Fenster putzen,
sich selbst zum Gram, jedoch dem Haus zum Nutzen.

"Durch meine Fenster muss man", spricht die Frau,
"so durchsehn können, dass man nicht genau
erkennen kann,ob dieser Fenster Glas
Glas oder bloße Luft ist. Merk dir das."

Zäzille ringt mit allen Menschen-Waffen...
Doch Ähnlichkeit mit Luft ist nicht zu schaffen.
Zuletzt ermannt sie sich mit einem Schrei -
und schlägt die Fenster allesamt entzwei!

Dann säubert sie die Rahmen von den Resten,
und ohne Zweifel ist es so am besten.
Sogar die Dame spricht zunächst verdutzt:
"So hat Zäzilie ja noch nie geputzt."

Doch alsobald ersieht man,was geschehn,
und sagt einstimmig: "Diese Magd muss gehn."

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Christian Morgenstern (Wintergedichte)
Winternacht


Flockendichte Winternacht...
Heimkehr von der Schenke...
Stilles Einsamwandern macht,
dass ich deiner denke.

Schau dich fern im dunklen Raum
ruhn in bleichen Linnen...
Leb ich wohl in deinem Traum
ganz geheim tiefinnen?...

Stilles Einsamwandern macht,
dass ich nach dir leide...
Eine weiße Flockennacht
flüstert um uns beide...

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