Dichter:

A-D    E-H    I-K    L-N    O-R    S-U    V-Z   

 

Themen:

A-D    E-H    I-K    L-N    O-R    S-U    V-Z   

Max Dauthendey Gedichte

Max Dauthendey: * 25. Juli 1867 in Würzburg; † 29. August 1918 in Malang, Java

Max Dauthendey (Weihnachtsgedichte)
Weihnachten


Die eisige Straße mit Schienengeleisen,
Die Häusermaße in steinernen Reih'n,
Der Schnee in Haufen, geisterweißen,
Und der Tag, der blasse, mit kurzem Schein.

Der Kirchtüre Flügel sich stumm bewegen,
Die Menschen wie Schatten zur Türspalte gehn;
Bekreuzen die Brust, kaum dass sie sich regen,
Als grüßen sie jemand, den sie nur sehn.

Ein Kindlein aus Wachs, auf Moos und Watten,
Umgeben von Mutter und Hirten und Stall,
Umgeben vom Kommen und Gehen der Schatten,
Liegt da wie im Mittelpunkte des All.

Und Puppen als Könige, aus goldnen Papieren,
Und Mohren bei Palmen, aus Federn gedreht,
Sie kamen auf kleinen und hölzernen Tieren,
Knien tausend und tausend Jahr im Gebet.

Sie neigen sich vor den brennenden Kerzen;
Als ob im Arm jedem ein Kindlein schlief,
Siehst du sie atmen mit behutsamen Herzen
Und lauschen, ob das Kind sie beim Namen rief.

Max Dauthendey (Herbstgedichte)

Nun stehen die Tage grau, lässig, still,
Weil es herbsten will.
Der Sommer wird arm.

Doch ich trage junge Violen im Haar
Und Maienstrahlen, eine goldhelle Schar,
Und die Sonne im Arm.

Max Dauthendey    (Herbstgedichte)

Solch ein lauer weißer Tag,
Mag die Hände gar nicht rühren,
Nur die Augen liegen wach.

Draußen welken gelb die Bäume,
In der stillen Esche nicken
Graue Blätter, altersschwach.
Graue Blätter, graue Träume.

Max Dauthendey  (Herbstgedichte)
Jetzt ist es Herbst


Jetzt ist es Herbst,
Die Welt ward weit,
Die Berge öffnen ihre Arme
Und reichen dir Unendlichkeit.
Kein Wunsch, kein Wuchs ist mehr im Laub,
Die Bäume sehen in den Staub,
Sie lauschen auf den Schritt der Zeit.

Jetzt ist es Herbst,
das Herz ward weit.
Das Herz, das viel gewandert ist,
Das sich verjüngt mit Lust und List,
Das Herz muss gleich den Bäumen lauschen
Und Blicke mit dem Staube tauschen.
Es hat geküsst, ahnt seine Frist,
Das Laub fällt hin, das Herz vergisst.

Max Dauthendey    (Liebesgedichte)
Ich habe Dir so viel zu sagen


Ich habe Dir so viel zu sagen,
Ich glaub' nicht, dass mein Leben reicht,
Das Leben, das nach kurzen Tagen
Dem großen Todesschweigen weicht.

Mein Lied soll mir nie sterben gehen,
Sein Leben niemals ihm entflieht.
Wenn Herz und Atem still mir stehen,
Mein Lied noch singend vor Dir kniet.

Max Dauthendey   (Sommergedichte)
Sommer, der so fröhlich war


Sommer der so fröhlich war,
Er entlässt der Vögel Schaar,
Tausend Stare weiter ziehn,
Tausend Lieder jetzt entfliehn.

Auf der Wiese, die verblüht,
Noch der Himmel einsam glüht,
Wie die Sehnsucht, die nie stirbt
Und um neue Lieder wirbt.

Sitzt das Herz am rechten Fleck,
Fällt's nicht wie ein Herbstblatt weg.
Wechselt auch der Baum sein Kleid,
Lieb kennt keine Jahreszeit.

Max Dauthendey  (Liebesgedichte)
Die Uhr zeigt heute keine Zeit


Ich bin so glücklich von deinen Küssen,
Dass alle Dinge es spüren müssen.
Mein Herz in wogender Brust mir liegt,
Wie sich ein Kahn im Schilfe wiegt.
Und fällt auch Regen heut ohne Ende,
Es regnet Blumen in meine Hände.
Die Stund', die so durchs Zimmer geht ,
Auf keiner Uhr als Ziffer steht;
Die Uhr zeigt heute keine Zeit,
Sie deutet hinaus in die Ewigkeit.

Max Dauthendey
Das Wissen der Menschen


Wenn Augen sich im Äug' verkriechen,
Und keines einen Wunsch mehr weiß,
Wenn Wangen wie die warmen Lampen
In Kissen leuchten still und heiß,
Dann scheint mir all' Wissen der Menschen ein Harm
Gegen das Feuer der Liebe im glücklichen Arm.

Max Dauthendey (Sommergedichte)
Im Sommerwald


Im Sommerwald, wo sich die Blätter drücken,
Liegt Sonnenschein in kleinen Stücken,
Drinnen die Mücken schweben und rücken.
Ich muss mich unter die Stille bücken.
Vor den finstern Tannenlücken
Sah ich einen Schmetterling weiß wie einen Geist aufzücken.
Der Wald riecht nach Kien und ist heiß.
Vielleicht hat hier ein Herz gebrannt, und nur der Wald davon weiß.

Max Dauthendey
Der Regen scheint besessen


Ich hör' den Regen dreschen
Und übers Pflaster fegen.
Der Regen scheint besessen
Und will die Welt auffressen.

Ich muss mich näher legen
Ins Bett zu meiner Frauen.
Wird sich ihr Äuglein regen,
Kann ich ins Blaue schauen.

Max Dauthendey
Nenn' dich meine Wiesen


Möchte deinen Leib
Keinen Garten nennen,
Wo sich Blum' und Mensch
Nur vom Sehen kennen.
Möchte deinen Leib
Nennen meine Wiesen,
Wo Heilwurzeln würzig
Und Labkräutlein sprießen.

Winzig kleine Blüten,
Kaum sichtbar wie Sterne,
Hausen dort urwüchsig,
Wirken stark zur Ferne.
Darf mich dort zum Schlummer
In den Glücksklee legen,
Er vertreibt den Kummer.

Nie in einem Garten
Könnt' ich in den Beeten
Ruhen in den harten.
Nenn' dich meine Wiesen,
Wo mir Kraft und Freude
Herzerquickend sprießen.

Max Dauthendey
Ein Regen ist kalt durch den Tag gegangen


Viel Wolken halten den Abend umfangen,
Viel dunkle Falten vom Himmel hangen.
Ein Regen ist kalt durch den Tag gegangen,
Und Stille macht Halt ernst ohne Bewegen.

Der Abend will sich gern niederlegen,
Die Berge reichen den Rücken hin,
Und jeder Stein will dem Dunkel sich bücken
Dem Abend und seinem geheimen Sinn.

Max Dauthendey (Sommergedichte)
Nun scheint der Sommer immergrün


Nun scheint der Sommer immergrün,
Das ist ein Staub und ein Bemühn,
Als müsst er wiederkauend bleiben.
So ganz robust ist jetzt sein Treiben
Und alle Bäume sich beleiben.
Sie sind wie bürgerliche Wichte,
Denen das Dicksein eine Ehre.
Als ob man täglich sich verpflichte,
Dass sich's Unendliche vermehre.

Doch Gott sei Dank, dass die Geschichte
Mit jedem Winter jäh sich wendet
Und sich das Dasein stolz verschwendet,
Und Leidenschaft nie satt verendet.
Dass Sonne wie Zigeunerblut
Alljährlich neue Torheit tut.
Und, in der Erde braunem Arm,
Die Engerlinge still und stumm
Schon träumen von dem Maigesumm,
Als nächster Maienkäferschwarm.

Max Dauthendey (lustige Liebesgedichte)
Ich hatt' mal eine gute Zeit


Ich hatt' mal eine gute Zeit —
Kaum wie ein Hündlein bellt im Traum,
Sprach ich von Liebesschmerzen;
Wie jeder mal im Märzen klagt,
Wenn schon der Frühling angesagt,
Und Hastigkeit die Glieder plagt;
Wenn Neugier durch die Äste jagt,
Wenn kahl noch der Kastanienbaum
Schier stündlich nach den Kerzen fragt.
So wie vom Regenschnee der Flaum
Rührte kaum Leid des Ärmels Saum,
Aufs höchste spürte man's am Kleid.
Blitz lag mit Blitz noch nicht im Streit,
Die Lieb' lief durch die Ewigkeit,
Kein Meilenstein stand weit und breit.
Die Sehnsucht traf noch nicht das Mark,
Ich sehnte mich am Sehnen stark,
Blau war noch die Unendlichkeit —
Ich hatt' mal eine gute Zeit.

Max Dauthendey (Frühlingsgedichte)
Heut es kein Abend werden will


Heut es kein Abend werden will,
In alle Gassen hinein
Steht noch der Frühlingstag still.
Und der Laternen funkelnde Reih'n
Ziehen im letzten Tagesschein
Wie in die Halle des Himmels ein.

Seht auch, es glänzen im Grau
Die Steine der Straßen noch blau.
Der Tag will den Stein nicht verlassen;
Er will ihn als Edelstein fassen,
Weil die Menschen darüber gegangen,
Die Menschen zu zwein und mit glühenden Wangen.

Max Dauthendey (Liebesgedichte)
Ein Rudel kleiner Wolken


Ein Rudel kleiner Wolken
Schwimmt durch die Abendhelle,
Wie graue Fische im Meere
Durch eine blendende Welle.

Und Mückenscharen spielen
Im späten Winde rege
Sie tanzen zierliche Tänze
Im warmen staubigen Wege.

Und zwischen Wolken und Erde,
Über die Bäume, die schlanken,
Ziehn auf der Straße zum Monde
Die uralten Liebesgedanken.

Max Dauthendey (Frühlingsgedichte)
Die Baumstämme werden wie Menschen jetzt warm


Die Baumstämme werden wie Menschen jetzt warm,
Sie nehmen den Sonnenschein gern in den Arm.
Der Schnee rund um den Stamm entweicht,
Soweit des Baumes Wurzel reicht.
Die Schneeglocken hocken da rund in Scharen
Begrüßt von den Staren.
Auf graslosem Boden bloß Keim bei Keim,
Beim kahlen Baum duftet's nach Honigseim,
Es duftet nach Liebe, dem Frost entronnen,
Erste Blüte und letzter Schnee sich dort sonnen.

Max Dauthendey
Mittaghitze


Weißer Staub muss die Mittaghitze tragen;
Weiße Gänse, die mit den Flügeln schlagen,
Erschrecken die Stille, sie will etwas sagen.

Weiße Schmetterlinge im Feld sich jagen,
Die weißen Kamillen am Weg sich nicht zu rühren wagen,

Auch das Unkraut duftet voller Behagen, —
Es ist alles so liebessatt, und keiner hat was zu klagen.

Max Dauthendey (Gedichte über Wein)
Weinlese


Nun will sich jeder gern bücken,
Man trägt jetzt Butten am Rücken,
Drinnen die Trauben sich drücken.
Nun schlürfe nur Süßigkeit,
Und mache den Rücken recht breit,
Und schleppe dein Teil heim beizeit.
Und füllst du ins Fass deinen Wein,
Und bist du mal kalt und allein, -
Mit dem Wein bist du immer zu zwein.
Der Wein feuert ein alte Glatzen,
Macht Nachtigallen aus Spatzen
Und lockt dir den Amor, den Fratzen.

Max Dauthendey (Herbstgedichte)
Herbstraben


Herbstraben sammeln sich in den Bäumen,
Als ob schwarze Lappen die Äste säumen.
Herbstraben bellen, die Äcker schallen,
Die Raben schwarz aus den Baumkronen fallen.
Sie jagen wie Furien entlang an den Hügeln
Und tragen die Winternacht auf den Flügeln.
Sie streichen verhexend rund um das Haus,
Sie stoßen knarrende Schreie aus,
Als ächzten im Berg unsichtbare Türen,
Die zu den verlassensten Stuben führen.
Die Raben fliegen und fliegen nicht weiter,
Die Blätter fallen, der Waldweg wird breiter.
Und aus den Hügeln mit nassen Wangen
Kommt Verlassenheit breit an dein Haus gegangen.
Und Wolke bei Wolke ins Fenster dir speit,
Und Rabe um Rabe ins Ohr dir schreit.

Max Dauthendey
Stets sind Gespräche im Wald


Stets sind Gespräche im Wald:
Bald winkt dir ein Blatt,
Das dir etwas zu deuten hat.
Bald sitzt ein Käfer an deinem Ärmel und blinkt.
Sein Flügelein blitzt wie ein Liebesgedanke,
Der augenblicklich wieder versinkt.
Die Mücke singend ums Ohr dir schwebt,
Wie Sehnsucht, die vom Blute lebt
Und dir von deinen Poren trinkt.
Wo der Wald sich lichtet,
Steht ungeschlachten Scheitholz geschichtet,
Weht Rindengeruch, der von Bränden dichtet.
Bleibt in den Kleidern dir lang noch hocken,
Als will es dich in ein Feuer locken.

Max Dauthendey
Am Berg wärmt die Sonne das Maiengrün


Am Berg wärmt die Sonne das Maiengrün
Und selbst der alltägliche Himmel will blühn.
Er wird stündlich größer und tiefer und kühn,
Zieht Bäume und Menschen zu sich hinauf.
Aller Sehnsucht fällt wie ein Schuss aus dem Lauf,
Und keiner hält mehr die Liebe auf.

Max Dauthendey (Aprilgedichte)
April spricht Geistersprache


April spricht Geistersprache.
Wie ein Vergoldermeister
Sitzt er am Nachbardache,
Spritzt Goldschaum auf Taube und Tauber,
Beklebt die Zimmer lichtsauber,
Belebt die Fenstergardinen,
Den Staub auf alten Tischen,
Vergoldet Falten und Mienen,
Sein Zauber will nie mehr verwischen.
Auf meinen Stühlen sitzt still,
Ich seh' ihn mit blumigen Gliedern,
Ein Geist von Liebesliedern,
Der dreist erlöst sein will.

Max Dauthendey (Maigedichte)
Maimond


Maimond schwebt über dem Fluss
Und liegt mir glatt vor dem Fuß.
Das Wasser rückt nicht von der Stelle
Und lugt nur hinauf in die Helle.

Ich schau' übers Flussbett hinüber -
Ein Lied schlägt die Brücke herüber,
Es lacht eine Nachtigall
Eine Brücke aus Freude und Schall.

Es regt sich der Nachtwind im Laub -
Es fiel ein Gedanke zum Staub -
Maimond aus vergangen Jahren
Liegt streichelnd auf alternden Haaren.

Maimond zog mich hin mit Verzücken
Sacht über die singende Brücken,
Und jünger wurde mein Gang,
Solange die Nachtigall sang.

Max Dauthendey (Junigedichte)
Leuchtkäfer ziehen durch die Juninacht


Leuchtkäfer ziehen durch die Juninacht
Wie Blicke,die ins Dunkel fliehen,
Ist dort im Abendlaub ein sacht Gefunkel -
Leuchtkäfer ziehen durch die Juninacht.

Ich möchte mich ins Gras hinknien
Still wie ein Schäfer, der die Welt vergisst
Und nur ein Traum bei hellen Blicken ist,
Von denen keiner Dir am Tage lacht;
Die nur in vager Heimlichkeit entstehen
Und über schwüle Abendwiesen gehen,
Von einer heißen Nacht zur Welt gebracht.
Ich hab' zu jenen Blicken ein Gesicht erdacht
Von zager Schönheit, dass der Tag nicht wagt
Mehr aufzusehen, und allein die Nacht
Tastend mit sachten Lichtern sucht und fragt.

Max Dauthendey
Leiden weinen ohne Tränen


Winter in der Brust,
Und durch argen Schnee
Müssen die Gedanken
Und durch Nebelblust,
Drinnen Krähen zanken.

Und doch stehen drunten
In den Sommerbeeten
Stolz die bunten Rosen,
Als ob nie und nimmer
Sie vergehen täten.

Winter in der Brust
Und der Sorgen Wust.
Muss vom toten Gestern
Blut mir borgen für das Morgen.
Tausend Nöte gähnen,
Und es meiden mich
Selbst des Trostes Schwestern -
Meine Leiden weinen ohne Tränen.

Max Dauthendey 
Der Regen wandert über den Fluss


Der Regen wandert über den Fluss,
Und Wasser durchs Wasser waten muss.
Es ist,als schwimmen die Ufer fort,
So triefend stehen die Berge dort.
Und Regen und Fluss durchs Land hingehn
Und können ihr eigenes Ende nicht seh'n.
So wanderten Sehnsucht und Blut oft zusammen
Und alle Ufer überschwammen.

Max Dauthendey (Sommergedichte)
Die Wolken lehren dem Sommer das Fliegen


Nass liegen Kornfelder wie nasse Strohmatten,
Es ziehen die Wolken im Abend heim,
Wie Wälder, die durch die Lüfte fliehen,
Wälder voll Geister und Schatten.

Das korndürre Tal und den Fluss sie schauen,
Sie liegen am Himmel wie bei einem See.
Die Wolken lehren dem Sommer das Fliegen;
Viel Sommer sind schon in die Lüfte gestiegen,
Auf Wolken über die Auen.

Sie reiten wie die Toten vorüber,
Denen die Herzen starr stille stehen.
Doch Lippen,die jungen sommerroten,
Küssen, werden die Tage auch trüber.

Max Dauthendey   (Gedichte über das Leben)
Keiner mehr am Boden klebt


Nun füllt sich das Auge bald
Wieder voll mit alter Freude,
Beine, wandert hin zum Wald,
Wo noch Schnee jüngst schlief am Steine!
Watet Kniee, watet tief
Durch das Kräuterbett der Heide!
Von dem Kopf fiel fort das Brett;
Auch dem allerärmsten Tropf
Lebt die Welt zur Augenweide.
Jeder heut darüber schwebt
Wie der Himmel blau im Kleide,
Keiner mehr am Boden klebt.

Max Dauthendey
Die Amsel


Da die Nacht mit Laternen noch draußen stand,
Der Schlaf und der Träume glitzernder Fächer
Um Haus und Himmel ausgespannt,
Da fang an mein Bett weit über die Dächer,
Da sang vor der Stund', eh' mit bläulicher Hand
Der Morgen sich unter den Sternen durchfand,
Eine Amsel aus Finster und Fernen.
Eh' noch den Laternen das Licht verflackt,
Hat schon die Amsel die Sehnsucht gepackt.
Sie sang von Inbrunst aufgeweckt
Mit dem Herz, das ihr heiß in der Kehle steckt.
Sie sang von Lieb', die sich aufgemacht,
Und durch die schlafenden Mauern lacht.

Max Dauthendey
Der Mond, der ohne Wärme lacht


Drüben über dem Fluss in der Nacht
Schwimmen die Berge im mondigen Nebel.

Im Fluss, im Dunkeln, da funkeln sacht
Die hellen Wellen in grellen Kreisen.

Im Himmel steht, großes Feuer entfacht -
Der Mond, der ohne Wärme lacht,

Wie einer, den Liebe längst umgebracht.
Nun lebt er noch als Geist bedacht.

Max Dauthendey  (Wintergedichte)
Die Winterwolke spricht von Schnee


Kein Vogel fliegt im leeren Strauch.
Das Gras,das gelb beim Erdreich liegt,
Ist tags noch weiß vom nächt'gen Hauch.

O,armes Gras,du tust mir weh,
Bist müde gleich dem Vogelvolk;
Die Winterwolke spricht von Schnee.

Den Weg des Todes zieht die Welt,
So wie das Blut das Herz einst flieht
Und der Gedank' in nichts zerfällt.

Max Dauthendey
Ich schleppe der Einsamkeit Berge


Es kann mein Mund kaum klagen,
Ich muss jetzt Stille tragen.
Sie macht mich wie zum Zwerge,
Ich schleppe der Einsamkeit Berge.

Seit du Geliebte gegangen,
Sitz ich von der Stille gefangen.
Ich muss mich unter ihr bücken,
Sie hockt mir als Höcker am Rücken.

Max Dauthendey
Mit dem Tode Wand an Wand


Die Nebel fallen in das Land.
Ach,mit dem Tode Wand an Wand
Wohnt jeder,der das Leben fand.

Nur wenn wir uns die Lippen reichen,
Ist das der Nacht ein Feuerzeichen,
Und auch die letzten Nebel weichen.

Max Dauthendey 
Ich grübe mir gern in die Stille ein Grab


Ich fühle mich tot,als war' ich erfroren,
Als hätt' sich die Welt zu sterben verschworen.
Ich grübe mir gern in die Stille ein Grab
Und warte begraben deine Wiederkehr ab.

Vom langen Warten versteinen die Wangen
Doch lebt auch im Stein noch ein sehnend Verlangen.
Ich weiß nur,dass ich nichts fühlen will;
Vielleicht steht dann endlich das Warten still.

Der Wind,der heult vor den nächtlichen Toren,
Als würde da draußen nur Unglück geboren.
Er klagt wie ein Hund in die Leere hinein,
Und stets drängen Hunger und Sehnsucht herein.

Max Dauthendey
Allerseelen


Grau wolkenerfüllt die Himmelsräume,
Geschwärzt von Nässe die fahlen Bäume.
Der Morgen ist wie der Abend verlassen,
Und nur der Regen lebt auf den Straßen.

Die Leute,die hinaus sich wagen,
Die seh' ich Totenkränze trafen.
Und alle hin zu den Friedhöfen geben,
Wo für Stunden die Toten heut auferstehen.

Und höre ich nachts den Regen gießen,
So sehe ich Gräber, die sich nicht schließen:
Herzwünsche, die wir lebend begraben,
Die zu verschütten wir nicht genug Erde haben.

Max Dauthendey
Ich liege wie von Einsamkeit betrunken


Ich liege wie von Einsamkeit betrunken,
Die Ufer aller Welt sind rings versunken.
Ich sehe kaum hinaus vor meine Tür,
Das Draußen ich noch kaum am Leibe spür'.

Ich höre nur die Sehnsucht suchend streichen
Und auf den Zehen durch die Zimmer schleichen,
Sie kann durchs Ferne und durchs Nahe gehen
Und lässt nicht einen Augenblick still stehen.

Sie muss mit Raubtiernüstern unstet wittern
Und reibt sich ruhelos an harten Gittern.
Ich seh' ihr Auge um mich mordend funkeln
Und spür' noch ihren Hungergang im Dunkeln.

Max Dauthendey
Der Frühling ist in aller Mund


Noch schneit es Schnee in einer Stund',
Und regnet Regen in der andern;
Der Frühling ist in aller Mund.
Aber auf Wegen weit und breit,
So weit die Beine Meilen wandern,
Hat's überall noch gute Zeit.
Unendlich kahl wie Ewigkeit
Ist Berg und Tal im Erdensaal.
Zur Hochzeit ist noch nichts bereit

Max Dauthendey  (Frühlingsgedichte)
Der Regen,das lebende Frühlingszeichen


Der Regen,das lebende Frühlingszeichen,
Will den Winterboden unter den Füßen aufweichen,
Und die Erde hält still auf allen Wegen.

Jetzt muss sich der Regen in Dornen noch legen.
Bald wird er wieder durchs Gras hinstreichen,
Und kein Tag wird mehr dem ändern gleichen.

Die Stunden werden dann wieder verwegen,
Die Füße wandern dann ungebunden,
Und die Liebe wird wieder von allen erfunden.
Alle handeln,wie die Herzen müssen

Meine Ohren horchen in die Nacht,
Wie der Regen seinen Tanzschritt macht.
Ruhe,eine der uralten Ammen,
Singt ihr Lied mit Dunkelheit zusammen,
Und der Regen tanzt auf flinken Füßen.
Alle handeln,wie die Herzen müssen,
Alle wandeln frisch und unverfroren.
Nur die Liebe wird mit Angst geboren,
Nur der Sehnsucht ruhen nie die Ohren.

Max Dauthendey    (Gedichte über den Frühling)
Kommt der Frühling geschwommen


Der Fluss warf die Eisschollen ans Land,
Groß und weiß liegen sie auf dem Pflaster.
Am Uferrand tollen die Kinder;
Sie sind auf die Eisstücke gestiegen,
Und sie fühlten sich auf dem Eis vor Wunder heiß.
Oben auf der Brücke ist ein Gedränge und Gedrücke,
Leute, die wie die Fische der Eisgang freut,
Und alle erkennen: aus gestern wird heut.
Die Menschen alle rennen,
Eins hier und eins dort,
Als reißt des Wassers Unruh'
Das Blut schon frühlingshaft fort.
Und während drunten die Eishaut zerbricht und zuckt,
Jeden Mensch im Blut eine Sehnsucht juckt.
Und sie sind alle zusammengekommen,
Und sie horchen dem Wasserschalle nach
Wie einem großen Falle und sind beklommen,
Und sind doch erfreut, denn auf jeder Scholle
Kommt der Frühling geschwommen.

Max Dauthendey
Zu Hause


Zu Hause schmolz der Schnee vom Dach
Und munter sprudelt schon der Bach,
Er ward mit Leib und Seele wach.
Leicht hüpft er wie das Nachbarskind,
Und beide singen in den Wind.
– Ich weine mir die Augen blind.
Die Heimat,ach,o Wanderstab,
Die Heimat ich verloren hab.
– Die Fremde ist ein Grab.

Max Dauthendey    (Gedichte über den Frühling)
Ist's noch Frühling vor der Tür


Ist' noch Frühling vor der Tür?
Liegt am Fluss der Berge grüner Ring?
Meine Fenster ich befragen muss,
Weil wie Schemen und Gespenster
Blind vor Sorge ich im Dunkel ging.
Spüre nichts als nur den Gram,
Der mir wie ein grauer Star
Alles Licht im Auge nahm.
Weiß kaum, dass ich einmal sehend war.

Max Dauthendey    (Gedichte über den Frühling)
Der Frühling ist in aller Mund


Noch schneit es Schnee in einer Stund',
Und regnet Regen in der andern;
Der Frühling ist in aller Mund.
Aber auf Wegen weit und breit,
So weit die Beine Meilen wandern,
Hat's überall noch gute Zeit.
Unendlich kahl wie Ewigkeit
Ist Berg und Tal im Erdensaal.
Zur Hochzeit ist noch nichts bereit

Max Dauthendey   (Gedichte über den Frühling)
Heut es kein Abend werden will


Heut es kein Abend werden will,
In alle Gassen hinein
Steht noch der Frühlingstag still.
Und der Laternen funkelnde Reih'n
Ziehen im letzten Tagesschein
Wie in die Halle des Himmels ein.

Seht auch,es glänzen im Grau
Die Steine der Straßen noch blau.
Der Tag will den Stein nicht verlassen;
Er will ihn als Edelstein fassen,
Weil die Menschen darüber gegangen,
Die Menschen zu zwein und mit glühenden Wangen.

Frühlingsgedichte - Sommergedichte - Herbstgedichte - Weihnachtsgedichte